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zuendung

19. Juli 2009

Sedona, öffne Dich!

Kia | 0 Kommentare

Unliebsame Beifahrer auf Knopfdruck entsorgen, das hab ich mir immer gewünscht. Wie in Bonds Aston 1964 in Goldfinger: Der Beifahrersitz schleudert seine Ladung sekundenschnell ins Grüne. Danach: Weiterfahrt ohne Grossmaul auf der rechten Seite. Bei unserem Test-Sedona ging das natürlich nicht filmreif über die Bühne. Schleudersitze sind nicht an Bord. Und schon gar nicht für […]

Unliebsame Beifahrer auf Knopfdruck entsorgen, das hab ich mir immer gewünscht. Wie in Bonds Aston 1964 in Goldfinger: Der Beifahrersitz schleudert seine Ladung sekundenschnell ins Grüne. Danach: Weiterfahrt ohne Grossmaul auf der rechten Seite.
Bei unserem Test-Sedona ging das natürlich nicht filmreif über die Bühne. Schleudersitze sind nicht an Bord. Und schon gar nicht für rechts, der Beifahrer sitzt bei unserem Ausflug ans Festival of Speed im englischen Goodwood links. Die „Entsorgungsknöpfe“ in der Dachkonsole lösen Probleme auf der ersten Rückbank. Sie öffnen die seitlichen Schiebetüren, auch wenn die hinteren Passagiere dies gar nicht wollen. Äusserst praktisch, wenn es draussen nass ist. Im Störfall sind Grossmäuler hinten auf Knopfdruck nass.


Hooligan: Die sportlichen weissen Streifen in der rechten Ecke des vorderen Stossfängers sind einem Vormieter zu verdanken – nicht dem zündung.ch Testteam.

Im Kia gibt es noch mehr zu lachen. Ein Minivan mit Rasse übrigens. 183 Diesel-PS ziehen über einen 5-Gang-Automaten die Fuhre mühelos vorwärts. Vor allem überland oder auf Autobahnen beschleunigt der Sedona kraftvoll und rollt üblicherweise mit Drehzahlen knapp über Leerlauf. Der Koreaner schöpft diese Kraft aus 2,9 Litern Hubraum, gesteuert über vier Ventile pro Zylinder und einem Turbolader mit variabler Geometrie. Schon bei 3800 Touren ist Ende der Fahnenstange, die volle PS-Zahl ist da. 343 Newtonmeter legen bei 1750 Umdrehungen los und prägen den Sedona zum Gleiter. Im Innenraum ist der Diesel nur schwer auszumachen. Laien würden ihn nie für einen Selbstzünder halten.


Elektrisches Spielzeug: Die Schiebetüren öffnen elektrisch. Fast wie ein Schleudersitz…

Pneuschonend zwar, aber durchaus gewöhnungsbedürftig ist die Anfahrschwäche des grossen Diesels. Auch im Leerlauf dreht die Maschine nur gemächlich hoch, ähnlich einer behäbigen Diesellok. Möchte man im letzten Moment noch vor einem anderen Verkehrsteilnehmer in den Kreisverkehr schlüpfen – was in England nicht gerade selten vorkommt – lässt einen der Sedona im Stich. Glücklicherweise hielten sich alle englischen Lenker, denen sich der massige Kia vor die Nase pflanzte, an die sprichwörtliche Höflichkeit der Inselbewohner, so dass weder Raufereien noch Blechschäden zu erleiden waren. Sobald der Vierzylinder tief durchgeatmet hat, geht die Post ab. Trotz 2'189kg Leergewicht.

Immerhin bietet der schwere Van Platz für sieben Personen auf 4,81 Metern Länge. In der zweiten und dritten Reihe sitzen Erwachsene komfortabel. Etwas mehr Beinfreiheit wäre wünschenswert. Die 5,13 Meter lange US-Version des Sedona würde dieses Problem wohl lösen. Sogar zum günstigeren Preis, für die Vollausstattung müssen Jeff, John, Jack usw. höchstens 35'310 Franken locker machen. In der Schweiz will Kia für den Diesel mindestens 37'950 Franken. Der Diesel ist in den USA nicht erhältlich, dort gibt es nur den 250 PS starken 3,8 Liter V6 Benziner. Auch in der alten Welt sind die Preisunterschiede bemerkenswert: Den Rechtslenker Diesel in bester Ausstattung und Automat führt Kia England mit 36'181 Franken (inkl. Steuer) in der Preisliste. Kia Schweiz bietet den baugleichen Carnival (jedoch linksgelenkt) für CHF 42’950 in der Basisausführung an, CHF 45’950 kostet die mittlere Variante, und CHF 50’950 teuer ist die Topversion. Zwischen Festland und Insel also über 14'000 Franken Differenz – oder ist das der Aufpreis für die Linkslenkung und den anderen Modellnamen?


Unscheinbar und doch harmonisch: Die können was, die Koreaner. Auch wenn sie es nicht unbedingt gegen aussen zeigen.

Wir haben den Sedona – dessen Namen übrigens eine Wüstenstadt aus Arizona leiht – auf englischen Autobahnen, Überlandstrassen und mitten durch Londons City bewegt. Gänzlich problemlos, der koreanische Van unterstützt den Autoreisenden mit allen Annehmlichkeiten. Bequeme Sitze, Armlehnen, Sonnenblenden, Ablagefächer usw. Er fährt präzise geradeaus, ist leise und gleitet souverän durch Stossverkehr, Autobahnetappen und lässt sich in Parkhäusern mit gewöhnlicher Vorsicht manövrieren. Knackpunkt: Die Klimaautomatik bläst dem Fahrer immer eiskalt ins Gesicht, egal welche Temperatur vorgegeben ist. Die koreanischen Ingenieure haben sie wohl auf heimische Hitzeverhältnisse ausgelegt. Jedenfalls fröstelten alle vier Passagiere und füllten nach den vier Testtagen fleissig Tempotüchlein.


Steuerzentrale: Beim Sedona rechts, beim Carnival links. Alle Schalter sind bequem erreichbar und übersichtlich angebracht.

Unübertroffen übrigens sind die Becher- bzw. Flaschenhalter: Fahrer und Beifahrer stehen acht (!) Vertiefungen für die sichere Getränkeverstauung zur Verfügung. Bei acht 1,5 Literflaschen macht das eine Zuladung von 12kg Flüssigkeit. Je nach Inhalt dürften sich Zöllner vermehrt für dieses Fahrzeug interessieren. Der Armaturenträger sowie die Türverkleidungen sind in billig anmutenden Kunststoff gefasst, wobei dieser im Vergleich zu älteren Autos aus Korea schon fast hochwertig ist. Garantiert sind die Oberflächen des Sedona Innenraums pflegeleicht, und das ist ja das wichtigste in einem potentiellen Familien-Van. Was das Praktikerherz begehrt ist da, die Schalter und Drehregler sind gut erreichbar und übersichtlich platziert. Neben dem hoch positionierten Automatik Wählhebel lassen sich portables Navi und Handyladegerät dank zwei 12V Steckdosen anschliessen.


Schiffsdiesel: Der 2,9 Liter dreht gemächlich hoch. Nach der Anfahrschwäche bewegt die Kraft aus dem Drehzahlkeller den Sedona jedoch souverän. Lässt die Plastikabdeckung nicht auf einen V5 schliessen?

Für den unbeschwerten Alltag, in dem weder Prestige noch avantgardistisches Design eine grosse Rolle spielen, ist der Kia Sedona bzw. sein europäischer Bruder Carnival eine sehr gute Wahl. Er transportiert sieben Personen komfortorientiert und souverän. Mit 15,7 Sekunden von null auf 100 ist er keine Sportskanone. Laut Werk muss der Sedona-Fahrer im Schnitt mit 9 Litern Diesel pro 100km rechnen.
Im Innenraum fehlt nichts, die hinteren Seitenscheiben lassen sich elektrisch ausstellen. Die Sedona-Sitze sind bequem, aber nicht genauso vorbildlich variabel und versenkbar wie im Opel Zafira. Bis auf die gewöhnungsbedürftige Anfahrschwäche erledigt der Kia Van alle Aufgaben wie ein langjähriger, zuverlässiger Mitarbeiter – zu vernünftigen Tarifen, die jedoch von Insel zu Festland zu Kontinent usw. stark variieren.
Als Zückerchen baut Kia amerika-inspirierte elektrische Schiebetüren ein. Wir lieben sie – sogar aus gut 50 Metern Entfernung öffnen sie fernbedient. Verblüffte Passanten sind garantiert.

Vielen Dank an die Firma Avis London Luton.