Alfas erstes Elektromobil baut auf der eCMP Plattform des Stellantis Konzerns auf. Ein Auto, das weder Kolben schüttelt noch im heimischen Garten wächst? Alfisti, die wohl leidenschaftlicher als alle anderen Fans für ihre Marke einstehen, stellen die beiden Neuerungen ganz schön auf die Probe. Wir entwarnen aber: Gäbe es so etwas wie einen Blindtest fürs Autolenken, der Junior ginge auch bei den traditionellen Markenjüngern als echter Mailänder durch. Aber der Reihe nach.
Das Nummernschild muss jetzt in die Mitte, sagt die EU. Noch eine Tradition, mit der Alfa Romeo brechen muss. Aber hübsch gelöst, finden wir.
Köchinnen holen alle dieselben Zutaten frisch vom Markt. Trotzdem munden nur richtig kombinierte und abgeschmeckte Gerichte. So zumindest die Analogie von Alfa Romeo zur Stellantis-Plattformstrategie. Und wie in einer Kochsendung ist alles schon mal vorbereitet, und man setzt uns in einen schwarzen Vorserien-Junior. Vor uns die etwa 20 Kilometer lange „Langhe“ Teststrecke Balocco nahe Mailand. Auftrag mit italienischem Akzent: „We want to measure your smile when you get out of the car!“
Dem relativ einfachen Stellantis-Fahrwerk spendiert Alfa neu entwickelte Achsschenkel, grosse Bremsen und die direkteste Lenkung der Klasse.
Der Kleine schwingt um die Ecken des engen Strassen-Circuits – und zieht einem die Mundwinkel gleich nach oben. 280 Elektro-PS drücken einen in die Sabelt-Sportsitze. Aus den engen Kehren hinaus zieht der neu entwickelte Motor vehement an den Vorderrädern. Ohne Durchdrehen. Das Geheimnis heisst TorSen „D“ und sperrt die Vorderachse, so dass ein Allradgefühl entsteht. Alfa ist stolz auf die neu entwickelte, superdirekte elektrische Lenkung. Ein grosses Plus im Vergleich zu den Plattform-Geschwistern. Sie dirigiert das kleine Paket zielgenau und meldet den Fahrbahnzustand an die Fahrerhände.
Zum Probieren gab es vorerst nur den vollelektrischen 280-Pferder „Veloce“. Verfügbar ab erstem Quartal 2025.
In schnellen Kurven bleibt der Junior schön neutral, beginnt etwas zu untersteuern und wedelt beim Gaslupfen etwas mit dem Heck. Das ist gute Unterhaltung. Das passt in den Alltag. Das Alfa-Küchenteam hat merkbar viel am Fahrwerk gefeilt. Gemäss Alfa stecke man das Geld lieber in die perfekte Fahrwerksabstimmung als in die Entwicklung von Komponenten, die es bereits gibt. Das spürt man. Hier waren übrigens dieselben Köche am Werk, die schon die Chassis von 4C, Giulia QV, Stelvio und anderen in Sternegerichte verwandelt haben.
Alfa wie gewohnt: Auch innen fühlt sich der Junior sportlich an. Einige Schalter erinnern an Stellantis-Cousins, fügen sich aber gut ein.
Schön ausgewogen sportlich, aber bei normaler Fahrweise im Granturismo-Komfort. Es gibt Kompakte mit noch mehr Leistung. Wirklich Spass macht Leistung aber nur, wenn sie auch fahrbar ist. Und da schlägt Alfas Stunde, das Fahrwerks-Leistungs-Menü konnten die Mailänder schon immer. Mailand ist ein gutes Stichwort: Alfa wird aktuell von Turin aus gesteuert. Trotzdem war der Junior als „Milano“ geplant. Und musste kurz vor der Geburt umbenannt werden. Was nicht in Italien gefertigt wird, darf nicht wie eine italienische Stadt heissen. Basta.
Rot steht ihm gut. Bei schwarz kommt der Hüftknick etwas weniger stark rüber. In weiss sticht das das dunkle Leuchtenband über dem senkrecht abfallenden „Coda Tronca“ Heck besonders raus.
Mit knapp 4,2 Metern Länge – das ist etwas kleiner als ein Nissan Juke und 12 Zentimeter grösser als eine Renault Zoé – passt ein Junior gut in einen vielseitigen Alltag. Wer etwas weiter weg muss und die theoretischen 410 Kilometer Reichweite ausschöpft, schätzt den Routenplaner. Da sind Ladestops eingerechnet, und zwar praktischerweise mit der vom Auto aufnehmbaren Ladeleistung: AC 11kW, DC 100kW.
Sabelt Sitze sind optional. Wer es bequem mag, nimmt lieber die Standard-Bestuhlung. Auch sie hält einen in scharfen Kurven an Ort.
Hat jemand Verbrenner gesagt? Den Junior Ibrido gibt es auch mit 120 PS aus einem Dreizylinder-Turbo-Benziner und 29 zusätzlichen Elektro-Pferden. Der Einstiegspreis liegt dann bei 31‘490 Franken und springt für den 156-PS-Einstiegs-Stromer „Elettrica“ auf 41‘490. Für die volle 280-PS-Fuhre mit Sperrdiff bezahlt man ab 49‘490. Schon erstaunlich, was ein Akku gegenüber einem Benzin-Turbo-Elektro Hybriden kostet. Klar, traditionelle Alfisti-Hirne erhalten einen Grossteil ihrer Belohnung durch Geräusche aus verbrannten Raffinerieprodukten. Der Junior Elettrica belohnt aber andere Sinne. Und bald ist klar, den Motor vermissen wir nicht und stromern beherzt weiter.
Nettes Detail: Ladekabelfach unter der Motorhaube.
Wir sind tatsächlich mit einem „Smile“ im Gesicht ausgestiegen. Alfas Fahrspass-Philosophie wirkt: Man nehme Teile aus dem Stellantis-Supermarkt, das Fahrwerk in Balocco köcheln lassen und mit einzigartigem italienischen Design innen und aussen würzen. Da ist es einem egal, welche Plattform drunter steckt und wo das Ding gebaut wird. Einen zeitgemässen Ansatz finden wir das. Technisch gesehen ist es erstaunlich, wie das sparsam gebaute Fahrwerk den Junior tanzen lässt. Wir sind gespannt, wie der Nachfolger von Giulietta und MiTo im hart umkämpften Markt einschlägt. Auch ausserhalb des Stellantis-Riesen zielen schmackhafte Menüs auf dieselbe Kundschaft. An Charakter mangelt es ihm jedenfalls nicht, die Verwandtschaft zu Jeep Avenger und Co. ist unsichtbar. Zudem ist er mit 1590kg der Leichteste und sportlichste in der Familie. Optimierbar wären unserer Meinung die mit 54kWh doch etwas knappe Akkuportion. Und auch beim Preis hätte etwas weniger Salz nicht geschadet.
Der Kompakt-Klasse-Kofferraum ist wohl meistens genügend, aber nicht riesig.