Als ich den Defender in Safenwil bei Emil Frey abhole, erspähe ich im Fussraum der Rücksitze vier Regenschirme. Dabei ist das Wetter gerade ziemlich ok. Doch schon beim Rundgang um den Engländer wird klar, weshalb die Schirme bereitliegen. Der 130er ist mit Ersatzrad halt einfach so lang, dass ein Wetterwechsel durchaus im Bereich des möglichen erscheint. Unglaubliche 5 Meter und 38 Zentimeter misst die Langversion inklusive besagtem Rad. Selbst ohne kommt er noch auf 5,1 Meter.
Man muss es sagen, so richtig gut tut die Verlängerung der Optik nicht. Der ansonsten recht elegante Defender wirkt irgendwie ausser Form, die Proportionen fast wie die einer China-Kopie. Doch halt, hier steht das Original, direkt aus Solihull. Das wird schon mit unzähligen Defender-Schriftzügen untermauert. Selbst die Felgen sind nochmals zusätzlich beschriftet. Dabei dürfte kaum eine Fahrerin vergessen, was für ein Mobil sie gerade durch die Strassenschluchten zu steuern versucht. Einen Defender fährt man nicht per Zufall, oder weil man von „A nach B“ kommen möchte, es geht um mehr, viel mehr. Manche würden sagen: Um ein Lebensgefühl. Dazu gehört auch, dass man jederzeit einen Fluss queren könnte. Hier hilft die Wade Sensing genannte Funktion, mit der man die Tiefe des Gewässers nicht mehr zu schätzen braucht. Gut möglich aber, dass die allermeisten Exemplare nie in der Genuss einer Flussdurchfahrt kommen.
Gerade als 130 kann man sich nämlich den zivilen Einsatz viel eher vorstellen. Denn hier finden tatsächlich 8 Personen auf relativ bequemen Plätzen Unterschlupf. Logischerweise bleibt dann nicht mehr viel Platz für Gepäck. Konkret sind es 290 Liter. Klappt man die hinterste Reihe um, verfügt der lange Defender über grosszügige 1015 Liter Kofferraumvolumen. Also entweder eine halbe Fussballmannschaft mitnehmen oder dann einen Hockey-Block samt Ausrüstung, die Möglichkeiten für Eltern von Jugendlichen sind vielfältig. Vielleicht müsste man den 130er sowieso eher als coole Version eines VW Bus verstehen.
Doch im Unterschied zum Klassiker aus Wolfsburg gibt es hier einen cremigen Reihensechser unter der eindrücklichen und mit schwarzem Riffelblech bewehrten Haube. Der Dreiliter Diesel kommt auf 250 PS und lockere 570 Newtonmeter. Die 8-Gang-Automatik wechselt die Gänge fast unvernehmbar. Der Klang des Selbstzünders bleibt auch unter Volllast im anständigen zurückhaltenden aber sehr wohlklingenden Bereich, very british eben. Eher nicht so understated zeigt sich die Grösse des Schuhwerks. 22 Zoll messen die glanzschwarzen Alus. Doch auch sie können das Leergewicht nicht wirklich drücken. Satte 2,8 Tonnen bringt der getestete Landy auf die Waage, dies ganz ohne elektrischen Zusatzboost mit entsprechend schwerer Batterie.
Doch trotz Gewicht und Höhe, eine Wanderdüne ist er nicht. Natürlich nimmt er sich bei der Beschleunigung etwas mehr Zeit, braucht aber trotzdem nur 9 Sekunden auf Hundert. Früher mal ein sportlicher Wert. Auch vor Kurven braucht man sich nicht zu fürchten. Präzise folgt er den Lenkanweisungen während der Aufbau mit merklich Seitenneigung mitschwingt. Dass man es mit einem Auto dieser Grösse eher gemütlich nimmt, liegt in der Natur der Sache.
Gemütlich sollte man es auch in der Stadt und beim Parkieren nehmen. Die schiere Grösse führt dazu, dass man Parkhäuser trotz unter 2 Meter Höhe wohl eher nicht frequentiert. Klar, dank quasi senkrechten Seitenwänden, einem grossen Lenkeinschlag und generell guter Übersicht, lässt sich der Defender auch als 130 gut manövrieren. Um seine Länge mit Ersatzrad aber irgendwo unterzubringen, braucht es Platz. Da hilft auch die „durchsichtige“ Motorhaube nichts. Bei Land Rover gibt es die Möglichkeit, das (verzögerte) Bild der Frontkamera einzublenden, womit man nach vorne noch präziser einparken kann.
Zu den Spielereien gehört, dass man sich das ganze Auto 3D im Display anzeigen lassen kann. Überhaupt ist der Landy in der Neuzeit angekommen, spielt problemlos Medien via Apple CarPlay und folgt dem Vordermann via Abstandstempomat. Der Sound aus den Meridianboxen ist dabei von erster Güte, erst bei Autobahntempo kommen dann die Windgeräusche störend hinzu. Komfortabel ist die Luftfederung, mit der sich auch der Abstieg auf den Boden der Tatsachen etwas weniger beschwerlich gestalten lässt. Die 122’000 Franken für den Testwagen macht aber auch die Luftfederung nicht flauschiger, das ist schon ein rechter Brocken, wie der 130 selbst auch. Immerhin versöhnt der Testverbrauch von 9 Liter Diesel auf 100 Kilometer ein wenig. Und vielleicht gibt’s die Regenschirme ja als Geschenk obendrauf?