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zuendung

18. November 2013

Das beste Auto der Welt?

Land Rover | 0 Kommentare

"Das beste Auto der Welt." Seit Jahren hat diesen Titel inoffiziell die Mercedes S-Klasse inne. Und früher meinte mal Cadillac, den "Standard of the world" darzustellen. Als ich den Range Rover in seiner neusten Auflage zum ersten Mal entere, frage ich mich, was denn das beste Auto der Welt überhaupt zu demselben macht. Sind es […]

"Das beste Auto der Welt." Seit Jahren hat diesen Titel inoffiziell die Mercedes S-Klasse inne. Und früher meinte mal Cadillac, den "Standard of the world" darzustellen. Als ich den Range Rover in seiner neusten Auflage zum ersten Mal entere, frage ich mich, was denn das beste Auto der Welt überhaupt zu demselben macht. Sind es die technischen Errungenschaften? Ist es der Fahrkomfort? Oder ist das mehr eine Imagesache, die mit überprüfbaren Fakten nicht wirklich etwas zu tun hat? Dann käme beispielsweise auch das ganz Sortiment von Rolls Royce in die engere Auswahl.


Tief, breit, cool: Stellt man das Fahrwerk auf die tiefste Stufe, geht der Range fast schon als Lowrider durch.

Immerhin kommt der getestete Range Rover aus dem gleichen Ursprungsland, wenn auch im Hintergrund längst die ehemalige Kolonie die Fäden zieht. Mit 155'000 Franken steht er in der Autobiography Ausstattung mit dem Diesel-V8 in der Preisliste. Mit einer serienmässigen Basisausstattung wird aber ganz bestimmt nicht ein einziges Exemplar die Fabrik im englischen Solihull verlassen. Dazu lauern in der über 50-seitigen Optionsliste viel zu grosse Versuchungen.

Das installierte Equipment komplett aufzuzählen würde diesen Fahrbericht sprengen. Ein paar nützliche Dinge sollten aber erwähnt sein: Der Abstandstempomat kann auch Stopp-and-Go-Verkehr (2600.-), die Parksensoren warnen auch vor nahendem Querverkehr (800.-), der Touchscreen mit DualView ermöglicht auch dem Beifahrer jederzeit gute Unterhaltung (1100.-) und dank hinterem Multimediasystem bleiben die Kinder auch auf langen Fahrten beschäftigt (2600.-). Unter dem Strich steigt der Eintrittspreis in den noblen Club damit auf einigermassen astronomische 185'000 Franken.


Blingbling: Die Generation MTV hinterlässt ihre Spuren im Gesicht des Range Rover.

Bleibt die Frage, wie diese fast schon sündhaft teure Wohlfühloase überhaupt fährt. Unter der Haube schlummert ein Aggregat, das seine Arbeitsweise den Insassen nur dann verrät, wenn Türen oder Fenster beim Starten offen sind. Aus 4,4 Liter Hubraum werden 339 PS geholt. Viel eindrücklicher fällt dieseltypisch die Angabe für das Drehmoment aus: 700 Newtonmeter. Und wenn man sanft auf das Gaspedal drückt, so merkt man sofort, wie sich dieses Drehmoment auswirkt. Wie bei einer schnellen Luxusyacht hebt sich die Frontpartie leicht an, bevor die Kraft in Vortrieb umgewandelt wird. Ein wunderbar erhebendes Gefühl – im wahrsten Sinn des Wortes.

Ein bisschen sind die britischen Erzeugnisse halt schon miteinander verwandt. So kann man die zur Verfügung stehende Kraft in früherer Rolls-Royce-Art als "sufficient" (ausreichend) bezeichnen. Auch wenn das Achtgang-Automatikgetriebe sich manchmal eine Spur zu viel Zeit lässt, man ist jederzeit für ein spontanes Überholmanöver gerüstet. Doch warum überhaupt überholen? Das Gleiten in diesem Luxusbomber macht viel zu viel Spass, als dass man sich durch unnötigen Stress aus der Ruhe bringen lassen möchte.


Kommandostand: Wenige Cockpits geben einem ein derart erhabenes Gefühl.

Falls dann doch einmal ein Stau im Wege wäre, hat der Range Rover alle Fähigkeiten für die Flucht. Fahrwerk ganz nach oben und einfach über das Gelände der stehenden Automasse entfliehen. Weniger anspruchsvolle Klippen meistert man dank neuer Automatikfunktion der Geländebedieneinheit "Terrain Response" ganz ohne Eingriff des Fahrers. Doch halt, solche Offroad-Träume müssen in der gesitteten Schweiz natürlich genau das bleiben, was sie sind, Träume eben. Es bleibt immerhin das Wissen, dass man jederzeit könnte, wenn man denn wollte und auch noch dürfte. Sehr wenige Fahrzeuge sind von Haus aus derart geländegängig wie ein Range Rover.

Im Alltag wird die Kundschaft aber am Tempomaten, der bis zum Stillstand die Geschwindigkeit adaptiv anpassen kann, mehr Freude haben. Denn so wird (fast) jeder Stau erträglich. Und überhaupt wäre es jammerschade, die flauschigen hochflorigen Teppiche mit Schlamm und Matsch zu besudeln. Es ist der Spagat, den jeder Range Rover beherrschen muss, der immer wieder aufs Neue beeindruckt. Ultimative Kompetenz abseits der Strasse in Kombination mit fantastischem Komfort in stilvollem Interieur.


Geschmückt: Die wenigsten Range Rover dürfen so aussehen, dabei steht ihnen der Schmuck bestens.

Das weiche dunkle Leder harmoniert perfekt mit dem rotbraunen Holz, das den Passagierraum gekonnt verschönert. Die klassischen Range-Rover-Proportionen wurden mit spielerischen Details bei der Gestaltung der Leuchten aufgelockert. Vorne wie hinten ermöglichen LED-Elemente eine eindeutige Erkennung auch bei Nacht. Zudem ist natürlich der formatfüllende Schriftzug vorne wie hinten zu lesen. Der Kühlergrill trägt inzwischen etwas mehr "Blingbling", fügt sich aber dennoch harmonisch in das Gesamtdesign ein. Nur die funktionslosen Kiemen in den Türen stören das Auge des Ästheten.

Und wenn der Ökonom nicht gleich beim Lesen des Preises tot umgefallen ist, wird er sich am einigermassen erträglichen Durchschnittsverbrauch von 11,4 Liter Diesel ein bisschen erfreuen können. Zur Erinnerung: Der Brite dürfte mit der installierten Ausstattung über 2,5 Tonnen wiegen. Dies obwohl viel Aluminium verbaut wurde, worauf man bei Land Rover sichtlich stolz ist. Eine Plakette auf der B-Säule weist auf die Verwendung des Leichtmetalls hin. Weiter manifestiert sich der Stolz auch in auf den aus den Seitenspiegeln projizierten Licht-Silhouetten und mit leuchtenden Schriftzügen ausgestatteten Einstiegsleisten.


Hochsitz: Das Fahrwerk in der obersten Stufe fixiert, muss der Jäger seinen Range kaum mehr verlassen.

Ein echter Koloss also, der neue Range Rover und ein teurer dazu. Mit 2 Meter und 7 Zentimeter Breite bleibt ihm zudem die Überholspur in Autobahnbaustellen verwehrt. Und doch: Man muss ihn einfach lieben. Es gibt kein anderes Auto, dass grosse Strecken mit derartiger Leichtigkeit hinter sich bringt. Extrem luxuriös verliert er trotzdem nie, was es bedeutet Stil zu haben. Nirgendwo sonst erlebt man ein so erhabenes Gefühl der Überlegenheit. Also alles rosig? Nicht ganz: Wie in allen Jaguar und Land Rover fällt auch hier das Infotainmentsystem, beziehungsweise dessen Bedienung über einen grossen Touchscreen etwas ab. Trotzdem können wir guten Gewissens sagen: Der Range Rover SDV8 ist das beste Auto der Welt.