Seite wählen

amadefries

9. Juli 2024

Frisch suv-isiert

Renault | 0 Kommentare

Damals, es war im Jahre 1995, löste bei Renault der Megane den R19 ab. Ein Jahr später erschien ein Kompaktvan namens Scenic auf der gleichen Basis. Fast 30 Jahre später wiederholt sich die Geschichte, auf den elektrischen Renault Megane E-Tech folgt mit etwas zeitlichem Abstand nun der brandneue Renault Scenic E-Tech 100% electric. Doch weil […]

Damals, es war im Jahre 1995, löste bei Renault der Megane den R19 ab. Ein Jahr später erschien ein Kompaktvan namens Scenic auf der gleichen Basis. Fast 30 Jahre später wiederholt sich die Geschichte, auf den elektrischen Renault Megane E-Tech folgt mit etwas zeitlichem Abstand nun der brandneue Renault Scenic E-Tech 100% electric. Doch weil inzwischen ein Phänomen um sich gegriffen hat, das man vielleicht SUV-isierung nennen könnte, ist der Scenic in der 5. Generation nun zum ersten Mal eben kein Minivan mehr. Darum auch der Werbespruch: Wir haben alles geändert, nur den Namen nicht. Wer bei Renault nun ein echtes Familienauto mit richtig viel Platz sucht, wird nur noch bei Kangoo und Trafic fündig, denn auch der Espace ist inzwischen ein SUV geworden.

Ungleiche Brüder: Neben dem Scenic schaut der Megane nicht mehr ganz so modern aus

Doch das muss nichts Schlechtes sein, gibt es doch auch ganz passable SUVs im Markt. Das fand man offenbar auch in der Jury zu Europas Autos des Jahres, die den Scenic zum Sieger 2024 erkor. Vielleicht muss man ihn auch einfach als etwas höheren Megane verstehen, der zudem deutlich mehr Platz bietet. Mit 4,47 Meter Länge bleibt er schön kompakt und auch die Breite ist mit 1,86 Meter für heutige Verhältnisse noch knapp ok. In der Höhe überragt er den Megane um 7 Zentimeter und kommt auf 1,57 Meter. Gegenüber seinem kompakten Bruder ist er 25 Zentimeter länger. Das Kofferraumvolumen liegt bei 545 Liter, womit er als familientaulich durchgehen kann. Dass die Ladekante aussen sehr hoch liegt und es innen sehr tief hinunter geht, ist für das Beladen jedoch nicht sonderlich hilfreich.

Im Zeichen des Rhombus: Das grosse Markenzeichen verhindert jegliche Verwechslungsgefahr

Hilfreich beim Erkennen des neuen Renault Scenic sind die grossen Rhomben an Front und Heck, die seit bald 100 Jahren als Markenzeichen der Franzosen fungieren. Ansonsten erinnert der Neuling nicht an bekannte Markengeschwister, schlägt mit seinem kantigen Look einen neuen Weg in der Formensprache ein. Wer sich allerdings den ebenfalls neuen Peugeot E-3008 ansieht, könnte sich fragen, ob da einfach zwei Design-Teams sehr ähnliche Ideen gehabt haben. Vor allem die Gestaltung der Front mit den schwarzen und in Wagenfarbe gehaltenen Elementen im Mix kennt man so nur von den anderen Franzosen. Was soll’s, es schaut modern und stimmig aus. Auch die LED-Leuchten an der Front fügen sich prächtig in das Gesamtbild ein. Am Heck wird der kantige Stil fortgesetzt. Er mündet in Y-förmige Schlussleuchten, die schon beim Aufschliessen eine farbenfrohe Show präsentieren.

Grill 2024: Bei Elektroautos haben die Designer mehr Spielraum, was beim Scenic für einen neuen Look genutzt wurde

Passend dazu ist die Zweifarbenlackierung in Rouge Flamme und Noir Étoile. Der elegante Metallstreifen dazwischen streckt die Seitenlinie, so dass er länger wirkt als er effektiv ist. Obendrauf gibt’s als Option das supercoole Panoramadach, das auf den Namen SolarBay hört. Warum es so cool ist? Weil es sich von durchsichtig auf opak schalten lässt und zwar auch jeweils nur hinten oder vorne. Damit beeindruckt man alle Passagiere. Das könnte auch auf den künstlichen Elektrosound zutreffen, der von Kultmusiker Jean-Michel Jarre komponiert wurde. Aber ganz ehrlich: So total ohne zusätzlichen Klang ist Elektromobilität eigentlich noch sexier. Bei Gehtempo ist dann aber sowieso eine gewisse Kulisse vorgeschrieben, damit Fussgängerinnen keine unangenehmen Überraschungen erleben.

Eine angenehme Überraschung stellt das helle Interieur mit den Sitzen aus Kunstleder dar. Schaut frischer aus, als es sich liest. Und es besteht zu 100% aus rezykliertem Material. Auch die grossen Displays schauen einladend aus. Renault gibt deren grösse übrigens mit zwei Mal 774 Quadratzentimeter an. Eigentlich sinnvoller als die blosse Angabe der Diagonale in Zoll. Ein Überraschung aus der alten Welt ist dann aber der Startknopf, der vor dem Losfahren noch gedrückt werden will. Dann noch am Lenkstockhebel „D“ auswählen und man stromert los.

Mit 218 PS scheint er nicht übermotorisiert. Doch profitiert man von einer rigiden Diät, denn das Leergewicht liegt bei akzeptablen 1,9 Tonnen. Zusammen mit der grossen Batterie (87 kWh) sollten mit dem Testwagen anständige Distanzen zu erreichen sein. Eine Schnelllademöglichkeit von 150 kW würde im Ernstfall (sprich: bei der Fahrt in die Ferien) kurze Aufenthalte an den Autobahnraststätten bedeuten. Hier geht es zunächst über Landstrassen durch die Zentralschweiz. Schnell wird klar, dass der Scenic gut hierher passt. Die erhöhte Sitzposition gewährt eine gute Aussicht, die Motorisierung sorgt für flüssiges Vorankommen und die Optik reicht sogar für den einen oder anderen erstaunten Blick am Strassenrand.

Aerodynamisch: Auch das Radwerk wurde für eine möglichst effiziente Fortbewegung optimiert.

Die Navigation funktioniert mit Google Maps, wobei sie so integriert ist, dass auch die nötigen Ladestopps in die Reiseplanung einfliessen. In Sachen Bedienung fällt zudem auf, dass es noch physische Tasten unterhalb des Mitteldisplays gibt. Gerade zur Bedienung der Klimaanlage sind diese jeweils sehr willkommen. Über den ebenfalls ins System „verbauten“ Google Assistant lassen sich diverse Befehle per Spracheingabe umsetzen. Zwischendurch gab es beim Testen jedoch etwas längere Ladezeiten oder das Ändern der Lautstärke wurde angezeigt aber nicht umgesetzt. Kinderkrankheiten, die über Updates zu beheben sein sollten.

Cockpit: Nach etwas Eingewöhnung findet man sich schnell zurecht

Etwas gar fahrerzentriert sind die vorderen Sitze. Während man am Steuer nicht nur elektrisch das Gestühl verstellt, sondern sich auch noch massieren lassen kann, braucht es rechts noch klassische Handarbeit. Und wer des Nachts den Türgriff innen sucht, wundert sich, dass genau dieser nicht beleuchtet ist. Dabei ziehen sich LED-Bänder quasi durchs ganze Interieur. Doch man mag es dem sympathischen Franzosen nicht übel nehmen.

In the City: Das Scenic-Format passt auch gut in die Innenstädte, bietet aber trotzdem genug Raum

Wirklich verbesserungswürdig ist die Rekuperation. Sie lässt sich via Paddel am Lenkrad in der Intensität verstellen, doch sie funktioniert nie bis zum Stillstand. Schade, weil sich der Scenic sonst sehr intuitiv bewegen und steuern lässt. Alte Renault-Hasen werden sich am Radiosatelliten am Lenkrad erfreuen, der es auch in die neueste Kreation geschafft hat.

Modern: Versenkbare Türgriffe müssen heute irgendwie einfach sein – hier funktionierten sie tadellos

Und wie weit schafft es der Renault Scenic E-Tech 100% electric nun tatsächlich? Im Test lag der Durchschnittsverbrauch bei knapp unter 19,5 kWh auf 100 Kilometer, was eine Reichweite von 450 Kilometern entspricht. Natürlich sind das nicht ganz die über 600, die in der Werbung angepriesen werden, aber sie sind absolut alltagstauchlich. Wie das ganze Auto.

Cool: Der neue Scenic schaut richtig gut aus, gerade auch mit der Zweifarbenlackierung.

Der Testwagen, der mit der Topausstattung Iconic vorfährt, kostet 53’950 Franken. Dann ist neben der Harman Kardon Soundanlage auch der adaptive Tempomat mit Spurzentrierung serienmässig an Bord. Die extrovertierten 20-Zöller gehören ebenfalls dazu. Die einzigen Optionen sind dann noch das abdunkelbare Panoramadach und die 360°-Kamera. Beides gab es 1996 wohl nicht einmal in den Träumen der Scenic-Kundschaft.