Seite wählen

amadefries

5. August 2024

Schönes Scheitern

Renault | 0 Kommentare

Ich wage es vorherzusagen: Renault wird auch dieses Mal scheitern. Die vorherigen Versuche mit R25, Safrane, Vel Satis, Latitude erreichten allesamt das Ziel nicht, in der gehobenen Mittelklasse Fuss zu fassen. Aber vielleicht muss man das Unterfangen so sehen, wie die Tätowierung auf Stan Wawrinkas Unterarm: Ever tried, ever failed, no matter. Try again, fail […]

Ich wage es vorherzusagen: Renault wird auch dieses Mal scheitern. Die vorherigen Versuche mit R25, Safrane, Vel Satis, Latitude erreichten allesamt das Ziel nicht, in der gehobenen Mittelklasse Fuss zu fassen. Aber vielleicht muss man das Unterfangen so sehen, wie die Tätowierung auf Stan Wawrinkas Unterarm: Ever tried, ever failed, no matter. Try again, fail again, fail better. In diesem Sinne gilt es herauszufinden, wie gut man mit dem brandneuen Rafale scheitern könnte.

Rafale: Ein Name, den man sich vielleicht merken sollte

Mein Testwagen ist ein Vollhybrid. Der Akku lässt sich also nicht per Kabel laden, wie man das vom Klassiker Toyota Prius kennt. Doch bevor wir zu tief in die Technik eintauchen, nehmen wir ein Auge voll von diesem völlig neuen Renault-Modell: Allein die Farbe Bleu Sommet mag die Betrachter verzücken. Das vielleicht schönste Blau seit dem Subaru STi leuchtet mit der Sonne um die Wette. In glänzendem Schwarz abgesetzt ist der Schwellerbereich. Das schaut vor allem von der Seite sehr dynamisch und schlank aus. Der Grill ist ebenfalls in Glanzschwarz gehalten und besteht aus Dutzenden kleinen Rhomben zwischen denen die Wagenfarbe hindurchscheint. Sexy! Das nach hinten gestrecke SUV-Coupé-Heck trägt rauchschwarze Rückleuchten. Das Ganze schaut wirklich sehr stimmig aus und man müsste den Franzosen eigentlich ein grosses Kompliment zum Design aussprechen. Müsste? Eigentlich? Ja, denn die Formensprache bis hin zu den Details ist einfach ein bisschen gar nahe an den Peugeot-Modellen 408 und 3008.

Präsenz: Die eindrückliche Front des Rafale macht sich breit

Was soll’s, am Ende soll der Wagen keinen Preis für eigenständige Gestaltung gewinnen, sondern gut fahren. Und wer den kleinen Wahlhebel am Lenkrad nach unten zieht, merkt schnell: das kann der Rafale. Obwohl unter der Haube nur ein 1,2-Liter Dreizylinder haust, geht es anständig vorwärts. Klar, zu den 130 PS des Verbrenners gesellen sich noch 70 und 34 PS aus zwei Elektromotoren. Die Gesamtsystemleistung wird trotzdem nur mit 200 PS angegeben, was dem komplexen Hybridkonstrukt mit dem Multimode-Getriebe geschuldet ist. Manchmal dauert es einen Moment, bis das System jene Gangkombination gewählt hat, die gerade am besten passt. Doch solange man gemütlich unterwegs ist, spürt man vom durchdachten Antrieb abgesehen von einem leichten Knurren bei Langsamfahrt wenig bis nichts. Will man etwas zackiger unterwegs sein, verheddert sich das Getriebe manchmal leicht, was den Vortrieb dann etwas schaumgebremst erscheinen lässt. Ebenfalls nicht ganz optimal ist das Pedalgefühl beim Bremsen. Immerhin lässt sich die Rekuperationsstärke per Lenkradpaddel erhöhen, sodass Bremseingriffe seltener nötig sind.

SUV-Coupé: Die Linie ist für einen Vertreter dieser Gattung geradezu klassisch

Auf der rechten Lenkradseite hat man es mit den Bedienelementen aber eindeutig übertrieben. Neben erwähntem Paddel, findet sich dort der Radiosatellit, der Lenkstockhebel und dazu noch diverse Knöpfe auf dem Lenkrad selbst. Ansonsten passt die Ergonomie recht gut. Die Eingaben auf dem Touchscreen fallen dank genügend grossen Symbolen leicht, das Menü ist verständlich. Die Sitze sind bequem und beherbergen ein Ausstattungshighlight, wie man es sonst nur von Supersportwagen kennt: In der Rückenlehne pulsiert das Alpine-A in der Markenfarbe Blau. Total überflüssig aber mindestens ebenso cool.

Leuchtendes A in der Sitzlehne: Solche Details machen den Esprit Alpine zu einem ziemlich coolen Begleiter

Cool oder lässig würde ich auch das Fahrgefühl beschreiben. Denn obwohl die Version „Esprit Alpine“ heisst, sportliche Gefühle werden vom Rafale nicht gefördert oder gar hervorgerufen. Die Sitze sind zwar wie erwähnt bequem, im Schulterbereich jedoch viel zu breit, so dass der Seitenhalt schon fast gegen 0 tendiert. Wer auch immer dieses Gestühl ausgewählt, er war kein Fan von Kurven. Dabei ist der Franzose mit seiner Vierradlenkung durchaus kurvenwillig. Zuweilen etwas gewöhnungsbedürftig, generell aber ein grosses Plus, weil sie den Wendekreis deutlich verkleinert und so beim Rangieren unterstützt.

Familienbande: Wer die Renault-Cockpitgestaltung kennt, wird sich schnell zurechtfinden.

Unterstützung braucht vielleicht demnächst der eine oder andere Tankwart, sollte der Rafale ein grosser kommerzieller Erfolg werden. Denn mit schlanken 5,8 Litern auf 100 Kilometer und einer Reichweite, die knapp über 1000 Kilometer liegen kann, macht man eher selten Gebrauch von der Tanksäule. Ebenfalls eine erfreulich hohe Zahl nennt Renault für das Kofferraumvolumen: 630 Liter. Das gut nutzbare Gepäckabteil dürfte auch auf Urlaubsreisen gute Dienste leisten. Da hilft es zudem, dass es auf der Rückbank als Mittelarmlehne zwei Tablet- bzw. Smartphonehalter gibt, die zu den beiden Aussenplätzen geneigt sind.

Modern: Die kleinen Hügel auf dem Heckspoiler sieht man aktuell bei Modellen verschiedenster Marken

Neben seinem grosszügigen Platzangebot und dem sparsamen Hybridsystem überzeugt der brandneue Renault Rafale Full Hybrid 200 vor allem mit seiner sehr gelungenen Optik. Er sticht aus der Masse heraus, das leuchtende Blau steht ihm hervorragend. Innen wie aussen gibt er einem das Gefühl, ein besonderes Fahrzeug vor sich zu haben. Die optische Nähe zu den Peugeot-Modellen blenden wir hier mal aus. Mit 55’600 Franken bleibt der Testwagen deutlich unter den anvisierten Konkurrenten in der gehobenen Mittelklasse. Und so dürfte Renault dieses Mal nicht nur gut, sondern vor allem auch sehr schön scheitern.

P.S. Im Parkhaus ist die 4-Rad-Lenkung sehr hilfreich