Seite wählen

zuendung

27. Juni 2005

Ein Opel unter Strom

Porsche | 0 Kommentare

Der Duden und andere Sprachpäpste werden hier wohl ankreiden, es heisse "siebter" und nicht "dritter" Sinn. Im Zweifelsfall wäre ich für "siebter" Sinn und die Umbenennung des Porsches in "GT7". Das wäre logischer. Erstens würde so der Titel Sinn machen und zweitens weiss ich eh nicht welcher der dritte Sinn ist. Sehsinn, Tastsinn oder Geschmackssinn? […]

Der Duden und andere Sprachpäpste werden hier wohl ankreiden, es heisse "siebter" und nicht "dritter" Sinn. Im Zweifelsfall wäre ich für "siebter" Sinn und die Umbenennung des Porsches in "GT7". Das wäre logischer. Erstens würde so der Titel Sinn machen und zweitens weiss ich eh nicht welcher der dritte Sinn ist. Sehsinn, Tastsinn oder Geschmackssinn?

Egal, hätte der Porsche sieben Sinne, stünde der siebte Sinn für die Sinnesverlängerung. Ein Millimeterdreh am Lenkrad, und der Porsche ändert die Fahrtrichtung. Ein Hauch aufs Gaspedal, und der Porsche rennt willig vorwärts. Ein Hauch mehr aufs Gaspedal, und der Porsche faucht, brüllt und schreit. Ein Kieselsteinchen, und der Porsche sagt es dem Popo.
Es gibt nur wenig Geräte, mit denen es sich so umspringen lässt. Am ehesten steht der Vergleich mit einem Superman-Gewand: Anziehen bzw. einsteigen und schon bewegt man sich mit übernatürlichen Kräften.

Den Zündschlüssel dreht man links vom Lenkrad. Ein Überbleibsel aus der Zeit der Le Mans-Rennen. Beim Startschuss brauchten die Fahrer zuerst zu Fuss die Piste zu queren, um dann mit ihren Wagen wegzufahren. Die rechte Hand legte dabei den ersten Gang ein, die Linke startete währenddessen den Motor. Gesagt, getan, die Sechszylinder-Boxermaschine erwacht willig, läuft aber unruhig. Schaltet man die Klimaanlage aus, stirbt sie beinahe ab.
Mit dem linken Fuss auf dem Kupplungspedal wird schnell klar: Wer seine Sinne verlängern will, braucht Kraft. Der erste von sechs Gängen ist leicht sortiert, wenngleich das Schaltgestänge mit der Genauigkeit eines koreanischen Einkaufswagens arbeitet. Und plötzlich wird es still hinten – mit der Kupplung lässt sich nicht spassen. Also nochmals, starten und etwas mehr Gas! Der Wagen rollt. Zweiter Gang, dritter Gang, 50 km/h. Das Lenkrad will mit beiden Händen festgehalten werden. Superpräzis meldet die Lenkung Unebenheiten auf der Fahrbahn, aber entsprechend gierig läuft der GT3 seinen eigenen Weg.

Bald gibt die Wassertemperatur grünes Licht (ja, Wasser. Der 996 war der erste 911 mit Wasser- anstatt der traditionellen Luftkühlung). "Generell 50 aufgehoben" ist in Sichtweite, der zweite Gang ist mit einem Stoss Zwischengas eingelegt. Strasse frei. Zack, pedal to the metal! Harmonisch füllen sich die sechs Töpfe im Heck, gierig bollern sie nach mehr Drehzahl – und je höhere Drehzahlen sie kriegen, desto schneller fliegen sie zu noch höheren Drehzahlen. Bei 6000 Umdrehungen ist das vorher heisere Fauchen vergessen, nun schreit die Maschine. Nur um bei 7500 Umdrehungen in metallisches Hämmern zu verfallen. Dritter Gang – wieder Geschrei, wieder 6000 – Stopp, wir fahren auf einer öffentlichen Strasse! Schon im zweiten Gang liegen über 120 km/h drin – die Fahrbahn wird plötzlich eng, die Mittelstreifchen werden zur ausgezogenen Linie und das nächste Dorf fliegt rasant näher. Ab in die Eisen! Zack, mindestens so gierig wie die 360 Pferdchen im Heck wirkt sich ein Tritt aufs Bremspedal aus. Situation entschärft.

Geradeaus ist jede Strasse zu kurz. Rico, der mutige Besitzer des fünfjährigen Geschosses: "Wenn Du ein Auto überholst, und Du gibst Gas, dann bist Du auf einmal so schnell, dass Du denkst: Gut, dann überholen wir die anderen drei eben auch noch." Im limitfreien Nachbarland lagen gemäss untenstehendem Beweisfoto bereits 330 km/h drin. Dabei liegt die Maschine ruhig auf der Strasse und lässt sich mühelos durch die Kurven dirigieren. Trotz der ausgefeilten Aerodynamik mit dem charakteristischen Boomerangspoiler ein Drahtseilakt.
Langsamere Kurven fahren sich am besten mit einem Bremsmanöver an. Einlenken, dann bereits wieder Gas geben. Das Körpergewicht im beichtstuhlartigen Schalensitz drückt an die Seitenpolster. Anfangs scheint der GT3 geradeaus fahren zu wollen. Mit etwas Gaseinsatz drängt jedoch das Heck an den äusseren Kurvenrand. Je nach Gaseinsatz, Lenkwinkel und fahrerischem Talent (und Pneubudget) lässt sich der GT3 so mit ballettartigen Driftwinkeln balancieren. Doch das überlassen wir lieber den Gutversicherten und freuen uns ob der "Musikkapelle" hinten drin. Ausdrehen, ausdrehen, ausdrehen. Immer wieder. Am liebsten im Tunnel, da schreien die Töpfe an die Wand und von der Wand zu Fahrer und Passagier. Schön!

Obwohl dem GT3 bereits ein Nachfolger (997) zur Seite steht, gelang den Ingenieuren aus Zuffenhausen ein fantastisches Gerät. Menschlichen Wünschen nach Bewegung in horizontaler Richtung folgt der GT3 perfekt und die Maschine lässt sich auch im Alltag mehr oder weniger normal fahren.
So viel zur Verlängerung der Sinne. Aber ob ein GT3 deswegen wirklich Sinn macht? Ich denke nicht. Fragt man die Polizei, käme wahrscheinlich ähnliches heraus. Mehr Sinn macht es meiner Meinung nach die Polizei überhaupt nicht zu fragen, sondern den GT3 von der Strasse weg in ein Heim zu stecken. Und so lange sein Heim irgendwo in der Nähe der Nordschleife liegt, werde ich ihn auch regelmässig besuchen und auf einen Ausflug mitnehmen…

Herzlichen Dank an Rico, er hat seinen GT3 mutigerweise für die Probefahrt zur Verfügung gestellt!