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5. Januar 2025

Die Legende lebt (noch)

VW | 0 Kommentare

Vor mir steht die mittlerweile 8. Generation des VW Golf in der frisch facegelifteten Form. Und zwar in der legendären GTI-Version. Golfball als Schalthebel, Karomuster auf den Sitzen, auf drei Rädern ums Eck, so stellt man sich das vor. Ein auf den Boden gestrahltes Logo wird von abstrahierten Golfballeinbuchtungen umrahmt. Doch, oh Schreck, der Hebel […]

Vor mir steht die mittlerweile 8. Generation des VW Golf in der frisch facegelifteten Form. Und zwar in der legendären GTI-Version. Golfball als Schalthebel, Karomuster auf den Sitzen, auf drei Rädern ums Eck, so stellt man sich das vor. Ein auf den Boden gestrahltes Logo wird von abstrahierten Golfballeinbuchtungen umrahmt. Doch, oh Schreck, der Hebel ist weg. Da, wo einst der Schaltknüppel in den Himmel von 1976 ragte, findet sich 2024 nur noch eine kleine Wippe. Die Zeiten ändern sich.

Leuchtend: Am Licht-Logo erkennt man die neueste Generation

Was sich seit Jahren nicht verändert hat: Der GTI stellt die lebendige Sportvariante dar, während der R den Power-Allradler mit GT-Ambitionen gibt. Dazwischen reiht sich der GTI Clubsport ein. Ich teste hier den „normalen“ GTI, dessen Leistung seit dem Facelift um 20 auf 265 PS angehoben wurde. Der Zweiliter TSI knurrt schon im Stand (un)anständig. Ehrensache, dass ich direkt in den Sportmodus wechsle, wo der Sound nochmals etwas prägnanter ausfällt. Wenn schon, denn schon.

Golfball: Immerhin noch als leuchtendes Bodenlogo ist er präsent

Das hat sich VW offenbar auch bei der Namenswahl der Aussenfarbe gedacht. Kurzer Exkurs zum Wort Grenadill: Afrikanisches Grenadill oder Afrikanisches Schwarzholz sind Handelsnamen des sehr schweren Holzes, welches zu den Eisenhölzern zählt. Merci, Wikipedia. Im Innenraum heisst Schwarz dann übrigens schlicht „Soul“. Ob man als Fahrer:in dafür auch mit einer schwarzen Seele ausgestattet sein muss, sei mal dahingestellt. Helfen könnte es allerdings schon. Die Sitzen packen zu. Dass sie noch per Hand verstellt werden wollen, passt irgendwie zum hemdsärmligen Charme eines Volkssportlers.

Noch da: Das Karomuster. Weg: Der Schalthebel

Also dann los! Auch wenn nicht gekuppelt wird, die Pedalwiderstände müssen trotzdem stimmen. Und das tun sie. Das Gefühl in der Lenkung muss passen. Und das tut es. Schon im ersten Kreisverkehr lenke ich in einem Zug bis zur Ausfahrt. Was einfach klingt, gelingt doch den wenigsten Herstellern. Eine so intuitive Verbindung vom Körper des Menschen zu den Rädern ist es, was ein Fahrerauto eben ausmacht. Dass man beim Getriebe dieses Niveau an Gespür nicht ganz erreicht, liegt in der Natur (oder eben Künstlichkeit) des Doppelkupplungsgetriebes. Wo ich bereits runterschalten würde, lässt es sich einen kleinen Moment Zeit, um danach etwas zu lange im tieferen Gang zu verbleiben, wo es gefühlt nicht mehr nötig wäre. Letzteres passiert vor allem im S-Modus des DSG, wo dann auch gerne das Schubblubbern beim Gaswegnehmen als pubertäre Würze eingestreut wird. Am wohlsten fühle ich mich mit manuellem Eingreifen via Lenkradwippen, denn die Umsetzung der Schaltbefehle erfolgt dann so zackig wie gewünscht.

Schwarz wie die Nacht: Natürlich gibt’s den GTI auch in knalligeren Farben

Zackig geht’s dann auch um die Ecken. Etwas zu schnell in die Kurve? Kein Problem, die Bremsen beissen gehörig zu und die elektronische Vorderachssperre zieht den Wagen durch den Bogen. Vorwärts geht’s dank üppig Leistung mehr denn ordentlich. Von einer Sprintzeit von unter 6 Sekunden konnte der Ur-GTI nur träumen. Das höchste der Gefühle lag damals bei knapp unter 10, was schon als sportlich gelten konnte. Übrigens ist der Golf 8.5 mit 5,9 Sekunden auf Tempo 100 nun eine Zehntelsekunde schneller als sein Vorgänger. Abgesehen davon lässt sich die Neuauflage einfach erkennen: Nur sie trägt das VW-Zeichen leuchtend im Frontgrill. Was dem Gesetzgeber bis vor wenigen Jahren ein unverrückbarer Dorn im Auge zu sein schien, wird mehr und mehr zu einem zentralen Designelement für alle Hersteller.

Beim aktuellen VW Golf GTI hat Licht aber nicht nur dekorativen Charakter. Vielmehr ist hier das IQ-Light genannte Leuchtsystem verbaut. Gegenüber dem Vorgänger wird 15% mehr Leuchtweite bei Volllicht versprochen. Zudem wird man von einer sehenswerten Show empfangen. Schöne neue Welt. In diese Kategorie gehört auch IDA. Die Dame bringt 0 Gewicht mit, das somit bei 1430 kg bleibt. Denn sie ist nur digital, quasi die Siri von VW. Ganz so clever wie Frau Apple ist IDA noch nicht, antwortet oft entschuldigend, dass sie das noch lernen müsse. Aber wenn man gerne Sitzheizung, Klima und selbst Fahrmodi via Stimme ändert, kann man der digitalen Assistentin durchaus etwas abgewinnen. Auch den guten alten Wanderindli-Witz (was ist orange und spaziert den Berg hinauf?) hat sie übrigens drauf.

GTI: Die legendären Buchstaben stehen auch auf den Seitentüren

Der kleinen, 7 Jahre alten Assistentin aus der zweiten Reihe ist der Golf übrigens etwas zu laut. Umso grösser dafür ihre Freude am „Zauberlicht“. Die Innenleuchten reagieren auf einfaches Touchen. Als Familienkutsche eignet sich der Golf mit seinem gut nutzbaren Innenraum im Prinzip schon. Auch der Gepäckraum ist mit 380 Liter ausreichend gross. Die Aussendimensionen halten sich in den Kompaktwagengrenzen: 4,28 Meter Länge zu 1,78 Meter Breite bewegen sich im üblichen Mass. Gleiches gilt für den Preis, zumindest wenn man mit dem inzwischen gewohnten VW-Aufschlag rechnet. Knapp 56’000 Franken kostet der Testwagen, der neben hübschen Felgen, dem Technikpaket und dem adaptiven DCC Fahrwerk auch eine tolle Audioanlage von Harman Kardon an Bord hat. Diese Goodies und ein paar Kleinigkeiten unterscheiden ihn vom GTI in Grundausstattung, der auf 49’100 Franken kommt.

Das Problem: Für den gleichen Preis erhält man auch einen Cupra Born VZ mit 326 Elektro-PS und ebenfalls guter Ausstattung. Ob sich der ebenso gut fährt, werde ich in Kürze herausfinden. Doch die Mär von den achso teuren Elektroautos wird hier schon mal ad absurdum geführt. Zurück zum Wolfsburger: Er ist und bleibt die Sportlegende im Kompaktsegment. Gerade in Schwarz sieht man ihm seinen GTI-Charakter aber nur bedingt an. Wenn die hübschen Schriftzüge auf allen vier Seiten nicht wären, kaum etwas würde auf die knackige Version hinweisen. Hier dürfte man sich durchaus etwas mehr trauen.

Klassisch: Die Golf-Silhouette mit breiter C-Säule ist vertraut

Beim Verbrauch ist bekanntlich weniger mehr. So kann ich die 8,9 Liter bei winterlichen Temperaturen und öfters etwas dynamischeren Gangart trotzem nicht als gut bezeichnen. Ob der Eco-Modus viel helfen würde, kann ich nicht beurteilen. Aber wer möchte den GTI schon im Ökobetrieb fahren? Dann segelt er zwar gekonnt, das passt aber halt nicht zum Dynamikeranspruch. Und den löst er noch immer souverän ein. Den rotzigen Klang mag man toll finden oder nicht, gegen das Fahrwerk lässt sich nichts einwenden. Die Spreizung von Comfort zu Sport ist spürbar, das Handling top. So freut man sich auch auf die nächste Generation Golf GTI – ob mit Schalthebel oder ohne.