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zuendung

5. Oktober 2005

100% flexibel, 100% vernünftig!

Opel | 0 Kommentare

Nicht mehr Kleinwagen, noch nicht ganz Van: Opels Meriva gehört in die recht neue Kategorie der Microvans – nach meiner Meinung eine intelligente Fahrzeugkategorie, vereinen die Wagen doch mehrere Kategorien (Limousine, Van, Transporter, Kombi) und brauchen dabei weniger Ressourcen (Platz, Treibstoff) als die "Konkurrenz". In dieser Angebotsnische tummeln sich auch Renault Modus, Honda Jazz, Fiat […]

Nicht mehr Kleinwagen, noch nicht ganz Van: Opels Meriva gehört in die recht neue Kategorie der Microvans – nach meiner Meinung eine intelligente Fahrzeugkategorie, vereinen die Wagen doch mehrere Kategorien (Limousine, Van, Transporter, Kombi) und brauchen dabei weniger Ressourcen (Platz, Treibstoff) als die "Konkurrenz". In dieser Angebotsnische tummeln sich auch Renault Modus, Honda Jazz, Fiat Idea, Lancia Musa und einige andere. Die Konkurrenz hat aber ein Handicap – sie gefällt mir leider nicht… Die Linien des Meriva sprechen eine klare, geradlinige Sprache. Die Seitenlinie im Monospace-Design ist stimmig bis zur hinteren Stossstange.

Im Rahmen des "Opel Million Mile Test Drive" erhielt ich die Gelegenheit, für drei Tage einen Opel Meriva ausgiebig testen zu dürfen. Die Marketingaktion der Rüsselsheimer war übrigens gigantisch: Europaweit nahmen 550'000 Personen die verschiedenen Testmöglichkeiten wahr, in der Schweiz immerhin 17'635 (man hüte sich in Zukunft vor gebrauchten Opels, deren Geschichte nicht bekannt ist…!). Mich als Fahrer musste der kleine Opel während 893km aushalten – soviel vorneweg: Eine Plauschfahrt gönnte ich dem Meriva natürlich nicht. Der Meriva hielt als Personentransporter ebenso hin wie als Zügelwagen, als Autobahngleiter und als Bergpreisfahrer. Um vorzugreifen: In (fast) jeder Situation hat der kleine Rüsselsheimer eine gute Figur gemacht und mich überzeugt. Auch der Motor ist erste Sahne: Trotz der hohen Beladung und den immer noch akzeptablen Fahrleistungen kann das Triebwerk trotzdem als sehr sparsam bezeichnet werden. Widmen wir uns doch gleich diesem Kapitel.

Motor und Getriebe

Der Turbodiesel-Motor mit Commonrail-Einspritzung verkriecht sich unter der hohen und kurzen Front. Dabei müsste er sich gar nicht verstecken. Testverbräuche unter 5 Liter lassen sich problemlos realisieren – eine wichtige Kategorie bei modernen Dieseln. Bei erhöhter Zuladung muss aber auch hier ein Zuschlag (Testverbrauch: rund 6.5 Liter) bezahlt werden. Ebenso bei ständigem Einsatz des Laders.
Stichwort Turbo: Beim Fahren zeigte sich ein Turboloch bis 1800U/min. Der Lader sprach mit einer leichten Verzögerung – dann aber zünftig – an. Die sportliche Fahrweise ist aber definitiv nicht die Welt des Meriva. Die hektische Schalterei (über 4000U/min kommt nur noch wenig) ist für Insassen eine Zumutung – das Nicken des Beifahrers drückt jedenfalls nicht Zustimmung aus sondern ist Resultat der Masseträgheit… Zudem ist das Getriebe Opel-typisch etwas hakelig. Also besser im Vierten innerorts rollen, um dann bis 100km/h elastisch und zügig abzudrücken. Im 5.Gang bei 130km/h liegen übrigens nur 3000U/min an. Über der 150er Marke ist der Durchzug dann nicht mehr krass – aber das wäre ja sowieso streng verboten…
Das Nageln des Diesels ist bei Innerortstempi deutlich wahrnehmbar. Nicht mit Dieseln vertraute Mitfahrer mögen den subjektiv kernigen Sound mokieren, es hat aber auch einen Vorteil: Man wird dran erinnert, dass man in einem "Spar-Auto" sitzt, also bitteschön zurückhaltend zu fahren hat und noch einen Gang hochschalten könnte. Positiver Nebeneffekt: Die eigene Fahrweise wird entspannter… Und dann fühlen sich auch die Passagiere im bequemen Interieur "zuhause".

Interieur und Komfort

Platz ist in der kleinsten Hütte – hier ist sogar sehr viel Platz vorhanden. Etliche Staufächer (zum Beispiel für die Digicam) sorgen für eine aufgeräumte Atmosphäre. Vorne sitzen Fahrer und Beifahrer Van-typisch eher aufrecht und hoch. Hier setzt der einzige ernsthafte Kritikpunkt des Fahrzeugkonzepts an: Die doppelte A-Säule links behindert in (steigenden) Kurven die Sicht derart extrem, dass man sich verrenken muss, um auf die Strasse blicken zu können. So können andere Verkehrsteilnehmer nicht richtig erkannt werden, was zu brenzligen Situationen führen kann.
Die Sitze sind straff gepolstert, und bieten genügend Seitenhalt. Wie man es von Opel eben kennt. Die Armlehne ist beim Schaltvorgang im Weg und sollte nur auf Reiseetappen benützt werden. Hinten haben auch 1.90m-Riesen genug Platz, insbesondere in der 4-Plätzer- Konfiguration (siehe Bild oben).
Beim Innenraumkonzept "Flex-Space" hat Opel wieder einmal verstanden. Zwar geriet die Handhabung fummelig, aber etwas Gewöhnungszeit darf man ja noch haben, oder? Unter Zuhilfenahme der Kurzanleitung gelang die Verwandlung vom Fünf- zum Viersitzer problemlos. Sind die Sitze auf der hintersten Position, bleibt immer noch ein Kofferraum, der diesen Namen auch verdient hat. Auch eine ebene Ladefläche lässt sich aus den Sitzen zaubern. Diese verschwinden dann vollständig im Wagenboden.

In dieser Konfiguration schluckt der Meriva dank der grösseren Raumhöhe mehr als ein Caravan. Insgesamt hat man im Meriva kein beklemmendes Raumgefühl, das Auto ist gerade genau so gross, wie es nach dem subjektiven Gefühl sein sollte. Davon profitiert die Übersicht und die Parkplatzsuche ist auch einfacher als mit einem Mittelklassekombi… Also denn, let's go!

Auf der Strasse

Platz genommen hinter dem griffigen Lederlenkrad, fällt der Blick auf das eher klassische Armaturenbrett. Opel hat nichts riskiert und eine gute Bedienbarkeit realisiert. Nun ja, das mag nicht spannend sein, passt aber zum unauffälligen, "nützlichen" Charakter des Corsa-Ablegers. Und: Man findet sich auf Anhieb mit den Bedienelementen zurecht. Einzig die Kunststoffe dürften etwas edler sein, sie wirken recht hart und steif.
Die geschwindigkeitsabhängige Servolenkung arbeitet zuverlässig und unauffällig. Der Fahrer merkt nichts von diesem Komfortmerkmal. Er muss sich auch nicht um das Licht kümmern, welches sich, die entsprechende Option vorausgesetzt, selbstständig ein- und aussschaltet. Die weitere Ausstattung ist, viel Geld vorausgesetzt, fast beliebig zu ergänzen. Je nach Bedürfnissen passt sich der Wagen eben an, aber das kennen wir ja schon.
Der Fahrkomfort ist sehr gut, über Geräusche und die Schaltung wurde weiter oben schon etwas gesagt. Dank des langen Radstands und dem Leergewicht von rund 1400kg (!) liegt der Wagen satt auf der Strasse. Vorbei die Zeiten, als Kompaktwagen auch beim Komfort sparten. Man hat ein vollwertiges Auto, mit dem man praktisch überall gut ankommt, im wahrsten Sinn des Wortes. Ausser beim Tankwart.

Fazit

TESTE MICH – genau das habe ich getan: Bis es nicht mehr weiter ging, der Meriva trug mich bis nach Samnaun und begeisterte mich auf den allermeisten Metern der Probefahrt. Bei "KAUF MICH" müsste ich jedoch passen – aber nur wegen der Ebbe in der Kasse. Auf den vergangenen knapp 900 Kilometern habe ich ein richtig smartes Auto kennengelernt. Es hat seine Schwächen, denen steht aber entgegen, dass der Opel Meriva 100% flexibel und 100% vernünftig ist. Sie haben verstanden.