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zuendung

3. März 2013

Der Brandstifter

Opel | 0 Kommentare

Opel Astra OPC – Der Brandstifter 280 PS – aus 2 Liter Hubraum – mit Frontantrieb. Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Der Opel Astra OPC ist seit dem Abtreten des Ford Focus RS alleine mit einem solch mutigen Antriebskonzept. Dass viel Leistung an der Vorderachse auch heute noch zu […]

Opel Astra OPC – Der Brandstifter

280 PS – aus 2 Liter Hubraum – mit Frontantrieb. Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Der Opel Astra OPC ist seit dem Abtreten des Ford Focus RS alleine mit einem solch mutigen Antriebskonzept. Dass viel Leistung an der Vorderachse auch heute noch zu ernsthaften Traktionsproblemen führen kann, haben wir vor Kurzem beim Fahren des neuen Ford Focus ST bemerken müssen. Doch nun steht der OPC vor uns. Genau jenes Auto, über das nicht einmal der kratzbürstige Jeremy Clarkson von Top Gear etwas Schlechtes sagen konnte. Die Marke, die einst den höchst langweiligen Vectra verbrochen hatte, habe mit dem schnellsten Astra nun wirklich alles richtig gemacht, meinte der Brite. Aber stimmt das auch wirklich?

Wie sich das für ein solches Kaliber gehört, macht der rote Renner einen auf dicke Hose. Da werden Nebelscheinwerfer hungrigen Lüftungsschächten geopfert, während darüber grimmig blickende Scheinwerfer für das passende Überholprestige sorgen. Am knackigen Ende grüssen ein aufpreispflichtiger Riesenspoiler und zwei mächtige rechteckige Auspuffrohre die Überholten. Nicht zuletzt um einen guten Blick auf die vorne xxx Brembo-Bremsen freizugeben sind am Testwagen die optionalen 20-Zöller montiert. Zudem sorgt eine charakteristische, "Shockwave genannte Sicke für optische Dynamik. Dabei will der Designer die Türgriffe als Gewehrkugeln verstanden haben – vielleicht etwas weit hergeholt und etwas gar martialisch. Egal, in Powerrot sieht der Dreitürer richtig sportlich aus.

Damit ist den Machern ein kleines Kunststück gelungen, erreicht der schnelle Opel doch eine erstaunliche Höhe von fast 1,5 Meter. Nur weil er mit 4,46 Meter für die Kompaktklasse ausserordentlich lang geraten durfte, gelangen dennoch die gewünschten Proportionen. Natürlich trägt auch die Breite (1,84 m) zum Eindruck bei, der aber mit mit reichlich Rangieren in engen Parkhäusern erkauft wird. Ausserdem ist es um die Übersichtlichkeit nicht zum Besten bestellt. Im schlechtesten Fall verstecken sich ganze Lastwagen im toten Winkel hinter der flachen A-Säule. Immerhin sitzen vier Leute einigermassen kommod. Vorne kamen wir in den Genuss erstklassiger AGR-Sitze, die sogar über verstellbare Seitenwangen verfügte. Falls der Fahrer nicht ganz so fit wie sein Auto sein sollte, lässt man einfach etwas Luft aus den Kissen.

Richtig viel Luft soll der Turbolader schaufeln. Beim Motorstart ist davon noch nichts zu hören. Herrlich sonor erwacht der Zweiliter. Nur gerade 8,1 Liter sollt dieses Soundmonster konsumieren? Naja, immerhin leuchtet im Wirrwarr des Armaturenbretts auch eine Eco-Leuchte auf. Und tatsächlich: An der ersten Ampel geht der Motor aus, fast als sässe man in einem Verbrauchsoptimierten Öko-Corsa. Sobald das nach Kraft verlangende Kupplungspedal gedrückt wird, macht der Lärm aus den eckigen Rohren klar, dass Spritsparen hier eher Beigemüse denn Hauptspeise ist. Also los, geben wir dem Rennpferd die Sporen: Ohne Wheelspin legt der Fronttriebler los, als ob es kein morgen gäbe. Dank echtem Sperrdifferenzial braucht man sich auch beim Herausbeschleunigen aus Kurven nicht mit durchdrehenden Rädern und übermässigem Untersteuern zu fürchten. Wie bei einem Turbo alter Schule geht es erst ab 2500 Touren so richtig los. Bei schneebedeckter Fahrbahn wird der Turboschub der Traktion zum Verhängnis. Wohl auch wegen der mächtigen Bereifung (245/35 R20) gibt es kein Halten mehr. Es gibt wenige Fahrzeuge mit Frontantrieb, die sich derart mühsam bewegen lassen. Doch zum Glück fahren wir nur wenige Tage pro Jahr auf Schnee. Denn auf Asphalt kann man den OPC so richtig von der Leine lassen. Bei über 4000 Umdrehungen tauscht der Motor sein wunderbares Grollen gegen ein eher an einen Kampfstaubsauger erinnernden Sound. Nicht schön, aber gnadenlos.

So was Ähnliches müssen sich die Entwickler vom Opel Performance Center auch beim Getriebe gedacht haben. Die Anschlüsse passen zwar, aber im Testwagen kratzt es beim Einlegen des dritten Ganges schon recht ordentlich. Und das bei knapp über 10'000 Kilometer Laufleistung. Möglicherweise wurde das gute Stück schon einige Male auf der Piste bewegt. Ob dort der OPC-Modus aktiviert wurde? Auf hiesigen Strassen ist diese Abstimmung mit aggressiverer Gasannahme und verhärtetem Fahrwerk derart übertrieben unkomfortabel, dass nur Hartgesottene auch nur einen Gedanken an das prominente Knöpfchen verschwenden. Die Standard-Einstellung überzeugt dagegen auf der ganzen Länge. Bequem auf längeren Strecken, passt die Kombination auch für den flotten Ritt über die Landstrasse.

Wer dabei die Landschaft geniessen will, wird sich bestimmt über die spektakuläre Panoramafrontscheibe freuen. Doch es gibt gleich mehrere Gründe, warum wir von dieser 1200 Franken teuren Option abraten müssen. Man muss nämlich damit automatisch auf die Sensoren für Regen, Spurwechsel, Verkehrsschildererkennung und Abstandswarner verzichten. Schwerer ins Gewicht fällt der ebenso obligatorische Verzicht auf das Bluetoothmodul, was den Fahrer in die kommunikationsmässige Steinzeit zwingt. Am allerschlimmsten wiegt aber, dass man die Aussicht nur bei schlechtem Wetter oder zappendusterer Nacht nutzen mag, weil sonst die Blendwirkung zu gross ist.

Ganz so perfekt wie uns der allwissende Clarkson glauben machen wollte ist der neue Opel Astra OPC dann also doch nicht. Mit seiner fast schon krawalligen Art ist er ganz sicher kein Auto für den klassischen Golf-GTI-Interessenten, der seinen Wagen am liebsten in unauffälligen Silbergrau und mit DSG mag. Aber für 44'900 Franken (aktuell abzüglich der FlexPrämie 3500 und der Eintauschprämie 1500 Franken) erhält man einen richtig sportlichen Kompakten, der nicht nur schnell ausschaut. Unbedingt leisten sollte man sich die OPC High Performance Sitze für 2500 Franken und das adaptive Licht für 1800 Franken. Momentan gibt es das Swiss Pack gratis obendrauf, das mit dem Navi und den Parksensoren hinten über zwei sehr sinnvolle Bestandteile verfügt. Auch die serienmässige Stopp-Start-Automatik ist sinnvoll, hilft sie doch den Verbrauch auf eindrückliche 8,8 Liter zu drücken. Wer den Astra OPC so fährt, wie er am meisten Spass macht, endet dann aber eher in der Region um 12 Liter. Zu viel, aber hey, wir reden vom besten schnellen Fronttriebler auf dem Markt.