VW Golf R, VW Golf GTI, da wir einem Autofan warm ums Herz. VW Golf Variant? Maximal so lauwarm. Die Assoziation ist klar, der Kombi im Wolfsburger Sortiment wird meist mit Firmenlogo gesichtet, der klassische Vertreter-Wagen halt. Früher hat der Golf über Jahrzehnte die Rangliste der meistverkauften Autos in der Schweiz und anderen europäischen Ländern angeführt. 2024 führte das Tesla Model Y vor dem Skoda Octavia die Liste an, danach folgte mit dem Tiguan ein Markenbruder. Mit Mercedes GLC, BMW X1, Audi Q3 und Skoda Karoq geht es mit SUV weiter. Erst auf Platz 10 findet man den Golf. Doch was hat er dem Publikum in Zeiten von SUV-Boom und Übergang zur Elektromobilität als klassischer Verbrenner noch zu bieten?

So 2025: Leuchtendes Markenlogo, durchgehender Leuchstreifen vorne
Der Testwagen wird schon durch die Anemonenblaue Lackierung vom Servicemobil abgegrenzt. Dazu gibt’s die sportliche R-Line mit entsprechenden Logos und Spoiler. Ganz unberechtig ist der Sport-Zierrat allerdings nicht. Schliesslich kommt der mildhybridisierte Vierzylinder aus 1,5 Liter Hubraum auf 150 PS. Früher hätte man damit einen GTI angetrieben, heute heisst die Motorisierung eTSI. Und heute startet man sie über einen Knopf statt durch den klassischen Zündschlüsseldreh. Dann wird am Schalthebelchen die Fahrstufe D gewählt, denn natürlich kommt auch unser Test-Variant mit einem DSG-Räderwerk. Man hat ihm sogar die kleinen Lenkradpaddel für manuelle Eingriffe gegönnt.

Golf: Falls es jemand nicht gemerkt hätte, steht der Modellname in grossen Lettern am Heck
Ebenfalls gegönnt sind dem Golf seit dem Facelift die physischen Tasten am Lenkrad. 2025 schon fast ein Grund zur überschäumenden Freude, da so viele überflüssige und schlecht zu bedienende Touchflächen ihren Weg auf die Lenkräder dieser Welt gefunden haben. Wer gerne an der Bedienung rumkritisiert, darf sich auf die immer noch mehr schlecht als recht funktionierenden Slider für Klima und Volument unterhalb des grossen Screens freuen. Inzwischen sind sie für eine bessere Orientierung bei Dunkelheit immerhin beleuchtet. Abgesehen von Kosteneinsparungen für den Hersteller bringen sie aber weiterhin nicht viel und nicht wenige dürften sich klassische Rädchen zurückwünschen.
Keine Wünsche bleiben offen, wenn wir uns das Platzangebot des Golf Variant anschauen. Vorne wie hinten ist er grosszügig gestaltet. Die Integralsitze (ohne verstellbare Kopfstütze) sind bequem, ihr Stoff scheint robust zu sein. Der Kofferraum hat mit 455 Liter bis zur Laderaumabdeckung ebenfalls ein mehr als ausreichendes Format, zumal man ihn auch dachhoch füllen kann. Erfreulich, dass der Golf Kombi trotz grossen Innenraums sein relativ kompaktes Mass behalten kann. Die Länge liegt bei 4,63 Meter, die Breite ohne Aussenspiegel bei 1,79 Meter. Der Antrieb soll dazu führen, dass auch beim Verbrauch das Thema „Mass halten“ im Zentrum steht.

Echte Tasten am Lenkrad: Ja, darüber darf man sich freuen
Tatsächlich schaltet sich der Verbrenner bei langsamem Tempo im Rollbetrieb komplett ab. Ebenfalls möglich, aber erstaunlicherweise kaum hörbar: Die Abschaltung zweier Zylinder im Teillastbereich. Der Neustart gelingt zwar nicht ganz rumpelfrei, kann aber noch als harmonisch bezeichnet werden. Wie bei Hybriden üblich, muss man keinen bestimmten Fahrmodus wählen, das System denkt quasi für sich selbst. Somit ist man gefühlt immer relativ sparsam unterwegs. Im Testbetrieb kam der 1.5 eTSI so auf 6,5 Liter auf 100 Kilometer, womit die Werksangabe allerdings um fast einen Liter verfehlt wird.

Praktiker: Klassisches Kombiheck mit viel Platz im Kofferraum
Doch nun soll der R-Line zeigen, dass er mehr als hübsche Optik ist. Tatsächlich geht der Variant dynamisch ums Eck, Untersteuern kommt erst relativ spät ins Spiel. Dazu passt die generell gelungene Fahrwerksabstimmung. Der Komfort wird trotz durchaus sportlicher Auslegung nicht vergessen, über Fahrbahnunebenheiten fährt man souverän und weitgehend stossfrei. Die Lenkung wurde direkt und mit guter Rückmeldung ausgelegt. Auch die Bremse kann mit guter Dosierbarkeit und effizienter Verzögerung überzeugen.

Falsch abgebogen: Der eTSI ist kein PlugIn-Hybrid, kann hier also keinen STrom beziehen
Wie erwartet macht der VW Golf Variant vieles richtig gut, fällt dabei nicht auf und ist einfach ein souveräner Alltagskumpel. Aber teuer ist er bestimmt? Richtig, auch dieses Vorurteil trifft hier zu. Auf 48’344 Franken kommt der Testwagen, ausgehend von einem Basispreis von 41’600 Franken. Der Grossteil der Optionskosten geht aufs Konto der Assistenzsysteme, die allesamt empfehlenswert sind. Trotzdem, ein praktisch identisch ausgestatteter Ford Focus Turnier schlägt mit 5000 Franken weniger zu Buche.
Für den Klassiker aus Wolfsburg könnte man sich aber trotzdem entscheiden. Dann nämlich, wenn man sein zurückhaltendes und unauffälliges Design lieber mag als modische Kurven und Sicken. Oder auch, wenn man gerne mit IDA spricht. So nennt sich die Assistentin, die inzwischen in die meisten aktuellen VW eingezogen ist. Tatsächlich ist über sie im Prinzip auch ChatGPT mit an Bord. Wenn einem langweilig ist, kann man nach dem auslösenden Sprachbefehl „Hi IDA“ zum Beispiel nach der Höhe des Eiffelturms oder den Öffnungszeiten eines bestimmten Restaurants fragen.

Sporty: Die entsprechende Ausstattungslinie bringt zusammen mit der Farbe Anemonenblau etwas Stimmung in die Bude
Dann ist der VW Golf Variant 1.5 eTSI einfach auch ein wirklich ausgereiftes Fahrzeug, das abgesehen von einigen noch immer verbesserungswürdigen Bedienungskleinigkeiten praktisch ohne Fehler ist. Das Fahrwerk bietet auch ohne adaptive Fähigkeiten sehr guten Komfort bei überraschendem sportlichen Talent. Dass er nicht ganz so sparsam ist, wie man aufgrund der Hybridtechnologie denken könnte, ist da nur ein kleiner Wermutstropfen. Somit ist gut erklärbar, warum weiterhin viele Vertreter mit ihm unterwegs sein werden. Was man nicht denken würde: Sie haben auch eine gehörige Portion Fahrspass an Bord. Nicht nur deshalb kann der Variant auch als Familienwagen überzeugen, wenn es mal kein SUV sein soll.