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28. März 2025

Ob der was kann?

Allgemein, Cupra | 0 Kommentare

Gerade war ich in Tavascan. Ein hübsches kleines spanisches Örtchen in der Nähe Andorras. Geprägt wird es von putzigen kleinen Steinhäusern, einer ebensolchen Brücke und den umliegenden Gebirgsketten. Die Kirche scheint für spanische Verhältnisse geradezu erschreckend klein auszufallen. Eine symbolisch neben der Strasse ausgestellte rostige Turbine erinnert daran, dass in der Umgebung mehrere Stauseen zur […]

Gerade war ich in Tavascan. Ein hübsches kleines spanisches Örtchen in der Nähe Andorras. Geprägt wird es von putzigen kleinen Steinhäusern, einer ebensolchen Brücke und den umliegenden Gebirgsketten. Die Kirche scheint für spanische Verhältnisse geradezu erschreckend klein auszufallen. Eine symbolisch neben der Strasse ausgestellte rostige Turbine erinnert daran, dass in der Umgebung mehrere Stauseen zur Stromgewinnung dienen. Selbst ein Skigebiet gibt es hier. Schade, dass ich nicht wirklich da war, sondern nur via Google Maps. Das Kleinod in den Pyrenäen könnte nämlich tatsächlich einen Besuch wert sein.

Dynamiker: Der Coupé-SUV kommt sportlich daher

Der spanischen Marke Cupra muss der Ort jedenfalls einen so positiven Eindruck gemacht haben, dass man daraus den Namen des neuesten Elektroautos gemacht hat. Kllingen tut er auf jeden Fall gut: Señoras y Señores, ich präsentiere Ihnen den brandneuen Cupra Tavascan. Athletisch, dynamisch, knackig steht er da. Dabei muss man auch hier die Erwartungen etwas zurückschrauben: Im Prinzip steht da ein VW ID.5 im spanischen Ausgangsdress. Aber was soll’s, der Born macht auch mehr Spass als der ID.3. Warum sollte das Kunststück nicht eine Nummer Grösser funktionieren? Genau das haben sich die Spanier wahrscheinlich gedacht und die Optik schon mal auf „cool“ gedreht.

Die Front mit leuchtendem Cupra-Schriftzug macht schon mal eine Menge her. Die zusammengekniffenen Scheinwerfer, der eingezogene Bug, die grossen Lüftungsgitter unten und die wie bei Supersportwagen konturierte Haube ergeben einen aggressiven Look. Ein ähnliches Bild am Heck: Hier leuchtet das Logo inmitten des durchezogenen Leuchtstreifens rot. Die Dachlinie ist nach unten, die Fensterlinie nach oben gezogen. Übersichtlichkeit stand also kaum weit oben im Pflichtenheft. Ganz unten demonstiert ein grosszügig dimensionierter Fakediffusor noch mehr Sportlichkeit. Seitlich wird selbige durch grosse Räder und kleine Fensterflächen weiter betont. Der Auftritt ist sportlich, selbstbewusst und sehr eigenständig.

LED-Show: Illuminierte Logos an Front und Heck

Das setzt sich im Innenraum fort. Klar, zentral thront der bekannte Bildschirm mit den darunter liegenden Slidern. Und hinter dem Lenkrad findet sich der kleine Screen, die die Tachoinformationen bereithält. Doch abgesehen davon hat sich Cupra richtig ins Zeug gelegt, alles was an einen ID.4 erinnern könnte, irgendwie zu übertönen. Am auffälligsten ist sicher der zentrale Kunststoffbogen, der einer Wirbelsäule gleich den Mitteltunnel mit dem Instrumententräger verbindet. Die eingeprägte Schuppenstruktur erinnert an einen Fisch und glitzert passend in Violett-Grau. Die gleiche Struktur findet sich auch in den Türverkleidungen, von welchen sie wiederum fliessend in den Armaturenträger übergeht. Kupferfarbene Applikationen an den Lüftungsgittern, Bedienknöpfen und Sitzen schaffen einen hübschen Kontrast. Die aus reziklierten Materialien hergestellten Sitze kommen ebenfalls in einem eigenständigen, sehr sportlichen Look. Dazu sind sie auch noch erstaunlich bequem.

Eigenständig: Trotz Verwandtschaft zu Konzerngeschwistern gibt sich der Tavascan innen sehr individuell

Am Lenkstock für die Gangwahl kommen dann doch wieder ID-Gefühle auf. Nicht weiter schlimm. Eher mühsam ist, dass die stärkste Rekuperation nach jedem Neustart wieder per Padelzug links angewählt werden muss. Wirklich negativ ist aber die Abstimmung des Bremsverhaltens an sich zu bewerten. Auch nach Dutzenden Versuchen gelingt es mir kaum, die durch automatische Rekuperation eingeleitete Bremsung mit einem durch manuelles Verzögern sauber abzuschliessen. Da ist immer ein Ruck, eine Ungenauigkeit, eine gewisse Gefühlslosigkeit im System. Das nervt und wird auch von Mitfahrenden bemerkt. Warum sich der Volkswagen-Konzern noch immer gegen eine One-Pedal-Einstellung bis zum Stillstand wehrt, bleibt mir ein Rätsel. Warum man sich im Falle des Tavascan auch noch so eine unharmonische Bremsabstimmung erlaubt, ist aber noch unerklärlicher.

Natürlich ist bei doch recht viel Schatten auch ordentlich Licht. Der Tavascan fährt sich ansonsten gänzlich problemlos. Das Fahrwerk ist dank DCC zwischen trocken und recht komfortabel einstellbar. Mit 286 PS und Heckantrieb geht’s bei Bedarf anständig vorwärts. Wer noch mehr Power möchte, für den gibt es die VZ-Varianten, die 340 PS und Allradantrieb bieten. Die Akkugrösse ist bei allen Modellen identisch und liegt bei 77 kWh. Die Lenkung passt, erfreut mit sehr kleinem Wendekreis. Die Sitzposition ist stimmig, die manuelle Verstellung reicht vollkommen aus. Das SUV-Coupé lässt sich flüssig bewegen.

Aggressiv: Die mutig gestylte Front zeigt sich angriffig

Das Kofferraumvolumen liegt bei 540 Liter. Auch sonst bietet der Spanier genügend Platz für seine Passagiere. Nur beim Sperrguttransport schränkt ihn dann die Coupé-Linie ein. Die Aussenmasse fallen mit 4,64 bzw. 1,86 Meter nicht übertrieben riesig aus. Gegenüber dem ID.5 führen etwas mehr Breite und Länge bei zwei Zentimeter weniger Höhe zum angestrebten dynamischeren Auftritt. Allerdings bleibt es beim Auftritt. Der Tavascan ist in dieser Version kein Sportler. Er kann auch nicht wirklich etwas besser als ein ID.5, aber er kann es schöner.

Im Zeichen des Dreiecks: Das Symbol findet sich im Innenraum aber auch in den Leuchten gleich mehrfach

Und was ist der Preis der Schönheit? Die Tavascan-Welt beginnt bei 50’200 Franken, wobei neben der Farbe nur Garantiepakete und eine Anhängerkupplung dazu bestellt werden können. Wer zum Beispiel den Parklenkassistenten an Bord möchte, muss direkt zur Edge-Version greifen, die 3000 Franken mehr kostet. Dann ist auch die Navigation mit dabei, das Lenkrad kann beheizt werden und die Heckklappe öffnet elektrisch. Diese Paketpolitik führt aber auch dazu, dass es ist in den Heckantrieb-Tavascan kein Matrix-LED-Licht gibt.

Wer einen Blick auf die Werksangaben wirft, sieht sich mit einer theoretischen Reichweite von fast 700 Kilometer (City) konfrontiert. Selbstverständlich ist diese Zahl im echten Leben so unerreichbar wie der Mond. Ein Testverbrauch von 22 kWh deutet eher auf etwas mehr als 300 Kilometer bei Frühlingstemperaturen hin. Damit bewegt sich der Cupra Tavascan im eher mässigen Bereich, zumal er im Testzeitraum nicht übertrieben um die Ecken geprügelt wurde.

Cool: Der Tavascan schaut nicht nur auf dem Elektroparkplatz gut aus

Zurück bleibt ein doch recht zwiespältiger Eindruck. Wer grossen Wert auf ein dynamisches Äusseres legt und auch ein cooles Interieur oben auf seiner Wunschliste hat, sollte den Tavascan genauer anschauen. Wenige Fahrzeuge sind so mutig gestaltet, ohne deswegen auf eine gutes Mass Praktikabilität zu verzichten. So markant der Name, so eindrücklich der Auftritt. Auf der Schattenseite haben wir das unharmonische Bremsverhalten, die unflexible Paketpolitik und den nicht sonderlich sparsamen Antrieb.