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zuendung

10. Juni 2005

Perfektion sticht Emotion

Mercedes-Benz | 0 Kommentare

Dieses tresorartige "Togg" beim Türenschliessen lässt sich wohl keinem Mercedes der älteren Generationen absprechen. Bis ins Detail stimmt die Verarbeitungsqualität, alles sitzt perfekt. Sogar die feinen Plastikteile sind kaum "abbrechbar". Eine Burg. Und eben dieses Geräusch, wenn die Türe ins Schloss fällt. Alfafahrer kennen da wohl eher ein blechernes "Pläng"… Obwohl "SLK" für "superleicht" und […]

Dieses tresorartige "Togg" beim Türenschliessen lässt sich wohl keinem Mercedes der älteren Generationen absprechen. Bis ins Detail stimmt die Verarbeitungsqualität, alles sitzt perfekt. Sogar die feinen Plastikteile sind kaum "abbrechbar". Eine Burg. Und eben dieses Geräusch, wenn die Türe ins Schloss fällt. Alfafahrer kennen da wohl eher ein blechernes "Pläng"…

Obwohl "SLK" für "superleicht" und "kurz" steht, trifft mit gut 1450kg Leergewicht nur letzteres wirklich zu. Kurz ist er, und eng, und innen zu wenig hoch für eins-neunzig-Grosse. Sofern das Dach zu ist, natürlich. Mit dem geöffneten Metallklappdach wird der SLK zum Roadster. Und das dauert keine 20 Sekunden, bequem per Knopfdruck gleitet das Dach irgendwo in den Kofferraum. Summ, summ, Dach weg, die Luken schliessen sich, und fertig ist die Schönwettervariante.

Motor starten: Zazazazabrumm. Der Zweiliter-Vierzylinder geht unüberhörbar ans Werk. 16 Ventile, zwei obenliegende Nockenwellen, mechanische Kompressoraufladung, 163 PS. Das Automatikgetriebe reagiert messerscharf. Fahstufe "D" anwählen und schon drängt der SLK vorwärts. Mercedes-untypisch ist die Lenkung: Sportlich und direkt spricht der Wagen auf Lenkbefehle an. Sind die 163 Kompressor-PS erst einmal aufgewärmt, lässt sich der silberne Keil flott bewegen. In "Übergasstellung" (die Mercedes-offizielle Bezeichnung für "Kick-down") sind die fünf Automatikgänge schnell sortiert, und die Magnetkupplung schliesst den Kraftfluss zum Kompressor. Klar vernehmbar schaufelt der Zwangsbeatmer Luft in die Brennräume. Sehr zum Vergnügen meines Mechanikgehörs: Der Klang lässt sich wohl kaum auf einer Tonskala einordnen, zu schräg heult der Kompressor – eben so richtig geil. Doch damit wären wir auch schon auf dem Zenith des Schöngefärbten, jetzt gilt es aufzuholen mit den wüsten Dingen.

Die Aussicht vom Fahrerplatz zeigt zwei Powerbuckel vor der Frontscheibe. Doch waren diese Ausbuchtungen in der Motorhaube nicht einst den Wagen vorbehalten, die ihre Vergaseranlagen oder sonstigen Schnellermachteile nicht unter die Haube brachten? Der SLK füllt die Buckel nicht aus, also bleiben sie lediglich ein leeres Versprechen. Auf Designerisch ausgedrückt: Eine Hommage an die Rennerfolge der Vorläufer SLR und 300SL (oder so ein Quatsch). Fest steht, so sportlich wie der SLK daherkommt, ist er bei Weitem nicht. Trotz Hinterradantrieb wollen keine ordentlichen Drifts gelingen. Die Mechanik reagiert zu abrupt, einfach zu wenig feinnervig.

Entsprechend seiner verweichlichten Auslegung (und des happigen Preises) fühlt sich der SLK in gehobenen Kreisen wohl. Und damit wären wir auch schon beim schlimmsten SLK-Kapitel. Flaniert man im offenen SLK, sieht man den Passanten an was sie denken: Von "Yuppies" über "Schlampenfalle" und "Miezenschlepper" bis "Nuttenbenz" glaubt man alles zu hören. Doch das ist leider gar nicht so abwegig; in Zürich – so sagt man – gebe es eine Professionelle, die in einem silbernen SLK auf sich aufmerksam macht. Und insbesondere bei männlicher Besatzung wandern die Passantengespräche oft in Richtung Vor- und Nachteile des Partnerschaftgesetzes…

Ein SLK kann also, sofern er nicht von älteren Damen oder möchtegern-Szenecoiffeuren pilotiert wird, eine Gefahr fürs persönliche Image darstellen. Hinzu kommt, dass der hier beschriebene Wagen mit Jahrgang 2000 derjenige meiner Mutter ist. Zum 50. Geburtstag hat sie ihre lobenswerte grüne Einstellung gegen ein überteuertes "Jetzt-verwirkliche-ich-endlich-meine-Träume-Produkt" eingetauscht. Das macht den SLK auch nicht attraktiver. Steh ich eines Tages vor der Wahl SLK oder zu Fuss, ich würd laufen. Jawohl!