Noch selten sah ein neues Auto so bekannt aus. Der Q6 e-tron quattro kommt als fast schon klassischer Audi-SUV daher. Das erkennt man aber nicht nur an den ikonischen Ring-Logos oder dem Singleframe-Grill. Die Proportionen, die Leuchtsignaturen vorne, die Rücklichter, alles schreit geradezu nach Audi. Eben so sehr, dass Laien nicht bemerken dürften, dass da kein Q4 oder Q8 vor ihnen steht, sondern der brandneue Q6.

Welches Schweinderl? Wo steht der neue Q6, wo der Q4? (Auflösung am Ende des Texts)
Warum ist der Q6 trotzdem ein Meilenstein für Audi? Wie schon der viertürige Sportwagen e-tron GT steht er auf einer Plattform, die gemeinsam mit Porsche genutzt wird. Das verspricht nicht nur fahrwerksseitig eine Top-Performance, gerade auch die elektrischen Komponenten sind allererste Sahne. Anders als der flache Taycan-Bruder bietet der SUV Übersicht, bequem Platz für vier und ausreichend Kofferraum. Die 800-Volt-Infrastruktur bedeutet in diesem Fall, dass man mit bis zu 270 Kilowatt laden kann. Wichtig, wenn man gerne weitere Fahrten unternimmt und daher die Schnellladekompetenz öfters nutzt.
Und ja, in diesem Auto würde man gerne längere Trips unter die Räder nehmen. Typisch Pressewagen ist unser Exemplar mit Komfortoptionen geradezu vollgestopft. So kommt es, dass sich der Preis von 85‘900 auf leicht astronomische 114‘661 Franken steigert. Die grossen Posten entfallen dabei auf Pakete wie das Tech pro Q6 (6120.-) oder das S line Interieur mit Dinamica und Leder (5200.-). Auch die Multimediaeinheit MMI experience pro gibt es nicht für lau (4810.-). Da erscheint der Aufpreis für den Bang & Olufsen Premium Sound mit 510 Franken geradezu als Schnäppchen.

Informationsflut: Auch auf der Beifahrerseite findet sich ein grosses Touchdisplay
Doch es soll hier nicht nur um Geld gehen. Wie gesagt teilt sich der Q6 einige Teile mit dem Porsche Macan. Fährt der Audi also wie ein Porsche? Das wäre wohl etwas übertrieben. Doch der Q6 ist selbst in dieser nicht-S-Version sehr dynamisch und gleichzeitig komfortabel unterwegs. Die Luftfederung gibt die Möglichkeit, das Auto auf Wunsch in eine erhöhte Position zu bringen. Dass man bei 2,4 Tonnen und „nur“ 388 nicht mit dem ultimativen Kick ins Kreuz rechnen kann, ist klar. Doch die Verbindlichkeit, mit der dieser SUV Kurven nimmt, überzeugt. Sehr angenehm ist auch der Übergang von Rekuperation zum „echten“ Bremsen gelungen. Nur schade, dass man sich auch hier nicht dazu durchringen konnte, den Wagen in klassischer one-Pedal-Manier bis zum Stand zu bringen. Dafür funktioniert der standardmässige Automatikmodus sehr gut. Dieser lässt das Auto eher rollen, wenn der Weg frei ist und bremst ab, sobald das vorausfahrende Fahrzeug verlangsamt.

Schmuddelwetter: Vielleicht haben verdreckte Kameras zur suboptimalen Parkposition geführt…
Überhaupt ist das Fahrerlebnis gelungen. Dazu trägt auch das grossflächige HeadUp-Display bei, das Navigationshinweise gut verständlich einblendet. Zudem folgt das eingeblendete Bild den Augen, so dass man auch bei etwas schräger Sitzposition alle notwendigen Informationen zu sehen bekommt. Ein LED-Streifen unterhalb der Frontscheibe übernimmt neben der offensichtlichen Ambientelichtfunktion auch eine praktische Rolle. So blinkt er in der entsprechenden Ecke beim Abbiegen grün. Auch beim Rangieren überzeugt der Neuling, präsentiert gut verständliche Kameraansichten. Das aber gerade auch beim Parkieren die Breite von 194 Zentimetern nicht unbedingt hilfreich ist, ist in fast jedem Parkhaus der Schweiz zu erleben. Die Länge von 4,77 Meter bleibt dagegen im Rahmen.

Deine Spuren im Schnee: Dank Allrad hat man im Winter keine Traktionsprobleme
Eher etwas übertrieben erscheint mir das Beifahrerdisplay. Nachdem Ferrari in einem seiner Sportwagen die Geschwindigkeit auch dem Passagier anzeigen wollte, sind einige Hersteller gefolgt, so nun auch Audi. Ob in der Praxis tatsächlich dort an der Playlist herumgespielt wird? Das Hauptdisplay findet sich ja gleich nebenan. Um Eindruck zu schinden taugt die Bildschirmlandschaft aber allemal. Wie eigentlich der ganze Audi. Innen in feines Dinamica und Leder gehüllt, sind auch die allermeisten Bedienelemente angenehm anzufassen. Nur die Lüftungsverstellung direkt an den Gittern scheint verhältnismässig schlecht entgratet.

Klassisch: Mit roten Bremssätteln sieht fast jedes Auto noch besser aus
Auch aussen überzeugt das Design, das im Stile der Familie daherkommt. Hinten leuchtet ein durchgehendes LED-Band in die Nacht. Vorne findet man oben das Tagfahrlicht und weiter unten die Matrix-LED-Einheit, deren Automatikmodus bestens funktioniert. Aktuell kann man den Q6 von vorne vor allem am relativ dicken in Wagenfarbe lackierten Steg zwischen den beiden Leuchteinheiten erkennen. Seitlich sieht der Testwagen mit den 20-Zöllern und den rot lackierten Bremssätteln durchaus sportlich aus. Dazu verhelfen ihm auch die nach hinten abfallende Dachlinie und die kurzen Überhänge. Vorne findet sich unter der Haube übrigens ein Frunk, in dem man das Ladekabel bestens unterbringt.

Kein Porsche: Trotz direkter Macan-Verwandschaft ist der Q6 innen wie aussen ein typischer Audi
Im Fond sind auch Erwachsene gut untergebracht. Wenn wie beim Testwagen das Panoramadach installiert ist, gelangt viel Licht in den Innenraum. Eher etwas schattig sieht es bezüglich Verbrauch aus. Satte 100 kWh Akkukapazität genehmigt Audi dem Q6. Im Test verbrauchte er bei niedrigen Temperaturen 26 kWh auf 100 Kilometer, womit die Winterreichweite also unter 400 Kilometer zu liegen kommt. Wer davon nun frustriert sein sollte, der lässt sich einfach von den sehr bequemen Sitzen den Rücken massieren. Dazu hört er fröhliche Musik aus dem hervorragenden Audiosystem. Lautsprecher direkt in den Kopfstützen sorgen dafür, dass man insbesondere Sprache sehr gut versteht.

S geht schneller: Wir fuhren den normalen Q6, das rote Fähnchen am Heck zeigt nur die Ausstattung
Gut verständlich ist auch die Ergonomie im Q6. Haptiker erfreut der physische Drehknopf für die Volumenverstellung. Dass es für den Abstandstempomat einen separaten Hebel an der Lenksäule gibt, lenkt etwas von den zweifelhaften Sensortasten am Lenkrad ab. Ganz unzweifelhaft dagegen: Auf beiden Seiten des Fahrzeugs finden sich Ladeklappen, links mit Schnellladefunktion. So verstehe ich am Ende, warum es etwas länger gedauert hat, bis uns Audi mit dem Q6 beehrt hat. Er ist tatsächlich ein sehr gutes Elektroauto geworden und vermittelt das typische Audi-Feeling. Dazu gehört wohl auch, dass man ziemlich tief in die Tasche greifen will, wenn man die entsprechenden Goodies mit an Bord möchte. Dies vereint ihn auch mit seinen sehr ähnlich aussehenden Brüdern.
Auflösung: Richtig, rechts steht der neue Audi Q6, der gegenüber dem Q4 etwas grösser ist und den Steg in Wagenfarbe zwischen den Leuchen trägt